Dienstag, 20. April 2010

Gelschinken bis die Asche kommt

Vor einiger Zeit habe ich den Kommentar einer Feministin gelesen, die sich über Pornos beschwerte. Was diese insbesondere störte war, daß "Pornos nicht die Lebenswirklichkeit der Frauen abbilden". Nun bekenne ich erstmal offenherzig, daß Pornos auch nicht meine persönliche Lebenswirklichkeit als Mann abbilden. Denn scharfe schwedische Studentinnen sind bisher noch nie über mich hergefallen. Aber das kann natürlich einfach nur daran liegen, daß ich mich zu wenig an Universitäten herumtreibe. Belassen wir es mal gnädig bei dieser knappen Ursachenanalyse... Denn viel spannender fand ich die Frage, ob ich Pornos überhaupt sehen wollte, würden sie meine Lebenswirklichkeit abbilden? Ich bezweifelte sogar, das ich überhaupt irgendetwas sehen wollte, das meine Lebenswirklichkeit zeigt. Denn die kenne ich zum einen ja nun wirklich gut genug. Und zum anderen ist das, was man so aus den Arbeitstagen eines Officers John McClane oder Dr. Henry Jones Jr. kennt, ich kann es drehen und wenden wie ich will, doch ein bißchen aufregender als meine tägliche Bahnfahrt zur Arbeit. Und so war mein Welt-, oder zumindest Medienverständnis mit der kleinen Theorie, daß man gerade sehen will, was nicht dem Alltag entspricht, eigentlich ganz vollständig. Aber wie so viele andere einleuchtende Theorien auch, ist sie schlicht falsch. Diese Erkenntnis kam mir, als ich kürzlich die seltene Gelegenheit hatte, mich einen Nachmittag durch das deutsche Fernsehprogramm zu zappen. Und dort wimmelte es von Reportagen über Leute, die umziehen, ihre Wohnung streichen, von Köchen, die anderen Köchen erklären, wie sie ihre Küchen putzen sollten, und jede Menge anderer Dinge, die an den Tempel des Todes ungefähr so nahe herankommen wie mein regelmäßiger Kauf einer neuen Monatskarte. Quasi Stirb Langsam, nur wörtlich genommen.
Dennoch sehen aber offenbar genug Leute fern. Also gibt es neben dem Interesse am Ungewöhnlichen und Aufregenden noch eine andere Motivation zum fernsehen, und das ist offensichtlich der Voyeurismus. Und damit sind wir beim interessanten Begriff des Echten: Weder von Pornos noch von Indiana Jones verlangt man, vieleicht ein paar Feministinnen mal ausgenommen, aber mit denen guckt man sowas ja sowieso nicht, daß sie "echt" sind. Zur Befriedigung des Voyeuristischen aber sollte man erwarten, das Echtheit des Betrachteten erwartet wird, ja geradezu notwendig ist. Paradoxerweise ist es aber nicht echt. Wie sollte man wirklich glauben, daß ein an den Haaren herbeigezogener Streit über Wandfarbe, während zufällig ein Kamerateam herumsteht in dem, was mal ein Wohnzimmer werden soll, echt ist? Mal ganz zu schweigen von den rührend unfähigen Laienschauspielgruppen, die vermeintlich echte Gerichtsfälle vorspielen? Natürlich bin ich wieder versucht zu glauben, das Publikum solcher Sendungen sei so blöde, daß es das Gesehene tatsächlich alles für irgendwie echt hält. Aber ich will mich ja bemühen, nicht immer alles mit allgemeiner Blödheit zu erklären. Auch, wenn's passen würde. Also muß ich annehmen, daß es dem Voyeur egal ist, ob das Gesehene echt ist oder nicht. Also doch alles wie beim Pornogucken! Nur mit dem feinen Unterschied, daß nicht gleichgültig ist, ob die gezeigte Situation echt ist, um sich am exzessiven Kopulieren aufzugeilen. Sondern das es gleichgültig ist, ob die gezeigte Situation echt ist, um sich an ihrer Echtheit aufzugeilen.
Den Fernsehmachern muß man natürlich erst einmal gratulieren. Echtheit künstlich herzustellen und zu verkaufen ist wirklich schon bemerkenswert. Und dazu ist es auch noch denkbar billig, braucht man doch keine ausgefeilte Dramaturgie, exotische Schauplätze, Spezialeffekte. Alles, was benötigt wird, ist die Ödnis des Alltags, und davon gibt es ja nun wirklich genug, und das Talent eines Groschenromanschreibers, oder zur Not tut's da auch ein Praktikant.
Nur der Zustand der Allgemeinheit, der könnte einem dann schon Sorgen bereiten. Denn es ist eine Sache, wenn es egal ist, ob der Schinken wirklich aus einem Schwein kommt, oder ob er nur aus mit Enzymen zusammengeklebten Fleischfasern besteht. Wenn es aber auch noch egal ist, ob die Wirklichkeit aus dem Leben kommt, oder nur aus mit Kameras zusammengeklebten Klischeefasern besteht, dann kann es wohl nicht mehr viel geben, was einen wirklich kümmert? Wegen Vulkanasche am Flughafen von Bangkok festzuhängen ist da schon mal ein ganz netter Einbruch der Realität in den Pauschalurlaub, einfach mal so zum Kontrast. Aber es ist fast schon ein bißchen schade, daß der Vulkan nicht Deutschland mit einer meterdicken Ascheschicht bedeckt. Das würde zwar zu viel Schaden und Leid führen. Ich bin aber sicher, spätestens wenn dann das Fernsehen ausfällt, der Dreck den eigenen Garten begräbt, zusammen mit den dekorativen Muscheln aus dem letzten Thailandurlaub, und nicht mal ein Kamerateam dabei ist, dann bekommt man wieder ein ganz neues Gefühl fürs Echte!

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