Sonntag, 27. Februar 2011

Eine Hohlwelt voller Simulationen

Auf so manch große Frage der Menschheit werden mitunter Antworten vorgeschlagen, die zunächst nach spektakulärer neuer Erkenntnis klingen, im Grunde aber gar nichts zur Beantwortung der Frage beitragen. Ein Beispiel aus der Naturwissenschaft wäre etwa die Panspermie. Diese Hypothese beantwortet die Frage, wo und wie das Leben auf der Erde entstanden ist damit, daß das Leben auf dem einen oder anderen Wege aus dem Weltraum auf die Erde kam. Ein solcher Vorschlag scheint die menschliche Phantasie sehr anzuregen, denn diese Hypothese findet immer mal wieder Erwähnung. Dabei verschiebt sie die Frage, wie das Leben auf der Erde entstand, nur dahin, wie das Leben woanders entstand (und wie genau es hierher kommen konnte). Und da es keinerlei Beobachtungshinweise auf den außerirdischen Ursprung des Lebens gibt, bleibt es bei der Panspermie bei einer netten, aber nutzlosen intellektuellen Spielerei.
Naturgemäß viel schlimmer wird die Lage, wenn man von der Naturwissenschaft zu eher philosphischen Hypothesen wechselt. Eine solche Hypothese ist die von der "simulierten Realität". Hier wird die Frage nach der wahren Natur und dem Sinn des Lebens in der Behauptung beantwortet, die Welt und wir alle seien nur eine Art "Computersimulation" einer anderen hoch entwickelten Zivilisation. Das mag sein, es mag aber genauso gut sein, daß wir alle nur Figuren im Traum einer himmelblauen Giraffe sind. Interessanterweise findet aber u.a. ein Philosphieprofessor, Nick Bostrom, die erste Hypothese durchaus diskussionswürdig, diejenige von der Giraffe aber wohl eher nicht. Und das gibt schon einen Hinweis auf den Stellenwert der "simulierten Realität". Denn während ein Vertreter einer Kultur, in der Träume und Giraffen eine Rolle spielen, vermutlich die Spekulation über den Traum der Giraffe für überlegenswert hielte, findet ein Vertreter einer Kultur, in der Computer und Computersimulationen eine große Rolle spielen, die Hypothese von der computersimulierten Realität interessanter. Wenn man hier mal weiter denkt, dann lassen sich zentrale Argumente, die Atheisten zu Recht den Religionen entgegengestellt haben, auch gegen die Hypothese von der simulierten Realität wenden. Wird dem religiösem Gottesbild vorgeworfen, einfach nur eine "Extrapolation" menschlicher Interessen und Fähigkeiten zu sein, so gilt dies noch offensichtlicher für die "simulierte Realität". In der Religion wird die menschliche Macht zur Allmacht einer hypothetischen Gottheit ausgebaut. In der "simulierten Realität" wird die moderne menschliche Fähigkeit zur Computersimulation zur unbegrenzten Simulationsfähigkeit einer hypothetischen Zivilisation ausgebaut. Während die Religion unterstellt, daß die erfundene Gottheit selbstverständlich Interesse an der Menschheit und ihren Problemen hat, so gilt genau dasselbe für die erfundene höhere Zivilisation der "simulierten Realität". Und der Erkenntniswerte von Religion und der "simulierten Realität" sind auch beide eher vordergründig. Denn die Kette des Fragens nach dem "warum" kann die Religion mit einem "Gott will es nunmal so" abbrechen, die "simulierte Realität" kann mit einem "so ist nunmal die Simulation" das weitere Nachfragen beenden.
Man sieht als schnell, wo die Hypothese von der simulierten Realität hingehört: Zur Innenwelttheorie und dem metaphysischen Solipsismus in die Abstellkammer netter aber nutzloser Spielereien, und dort auch ruhig nach hinten ins Regal. Das wäre es dann auch. Wenn nicht meine Lieblingsvernunftsimulation im Web, Aufklärung 2.0 (leider beschäftigt es sich fast nur noch mit politischer Propaganda, und kaum noch mit Pseudophilosophie...), gerade die "simulierte Realität" als bestes Argument für die Existenz Gottes verkaufen wollte. Und wieder mal präsentiert ein Atheist eine in ihrem Wesen rein religiöse Argumentation als Vernunft. Doch wollte man darauf hinweisen, man könnte sich sicher sein, sofort das relexartige "Wieder der Schwachsinn vom Atheismus als Religion!" auszulösen. Hoffnungslos. Aber schließlich kann ja niemand einen Bug in der aktuellen Realitätssimulation ausschließen!

Mittwoch, 23. Februar 2011

Freud, freudlos

Die traurige Tatsache, daß am letzten Freitag deutsche Soldaten in Afghanistan getötet wurden (oder "gefallen sind"?), spielt in der Affäre um die versuchte Dissertation des Verteidigungsministers zu Guttenberg eine nicht unerhebliche Rolle. So war es dieser Zwischenfall (oder " dieses Gefecht"?), der (das) den Minister veranlasste, sich am Freitag spontan im Flur einigen Journalisten bezüglich seiner Doktorarbeit zu erklären. Und damit die ihm unliebsamen Hauptstadtjournalisten zu brüskieren. Außerdem wird der Tod dieser Soldaten immer wieder als Beleg dafür herangezogen, daß sich Journalisten und Oppositionspolitiker um unwichtige Fußnoten in akademischen Texten kümmern würden, anstatt sich auf wesentliche Dinge wie den Tod fürs Vaterland zu konzentrieren. Als wenn es um die Fußnoten in einer Doktorarbeit ginge, und nicht um die ungleich wichtigere Frage, wie genau es die Person des Verteidigungsministers der Bundesrepublik Deutschland mit der Wahrheit als solcher nimmt! Die für die Verteidigung des Herrn zu Guttenberg also zu einem recht günstigen Zeitpunkt umgekommenen Soldaten wurden von diesem heute sogar vor dem Bundestag erwähnt. Und zwar mit den gnädig ignorierten Worten:
"Es ist bekannt, daß ich am Mittwoch Nachmittag nach Afghanistan geflogen bin, Mittwoch auf Donnerstag in Afghanistan war, und vor dem Hintergrund, daß wir Vorfälle am Freitag hatten, die ich hier nicht schildern muß, was alles andere als unerfreuliche Vorfälle waren, bin ich am Wochenende erstmalig mit dieser Arbeit befassen konnte..."
(Video 3. BMVg Frage 03, um Minute 00:06:00 herum).
Gut, an dieser Stelle zumindest kann man glauben, daß er diese Aussage unbewußt gemacht hat. Aber manchmal, so heute, kann einem ein Freud'scher Versprecher dann doch so richtig Angst vor der Restmenschlichkeit eines Politikers machen!



Nachtrag 24.2.:
Aus den "alles andere als unerfreulichen Vorfällen" wurden im Sitzungsprotokoll dann doch "alles andere als erfreuliche Vorfälle".

Donnerstag, 17. Februar 2011

Nur die Spitze des Guttenbergs!

Neuer schlimmer Verdacht!
Hat Dr. jur. temp. zu Guttenberg nicht nur in seiner Dissertation plagiiert?!

Auf dem Laufenden bleibt man hier.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Nichts Neues seit Aššurbanipal

Guttenberg hat geschummelt! Guttenberg hat geschummelt! Nein, was für ein kleinliches, kindisches Getue in den linken Medien, nur weil der Freiherr ein paar Seiten seiner Hunderte von Seiten starken und "mit höchstem Lob" abgeschlossenen Doktorarbeit wörtlich irgendwo abgeschrieben hat, ohne das kenntlich zu machen.
Hat nicht schon der Koran
(Sure 11, 41: "Bis dann, da Unser Befehl ergeht und die Fluten (der Erde) hervorbrechen. Da werden Wir sprechen: „Bringe in sie hinein je zwei von allen, ein Pärchen, und deine Familie mit Ausnahme derer, wider die das Wort bereits ergangen ist, und die Gläubigen.“ Allein nur wenige glaubten da (und lebten) mit ihm.")
hier und da bei der Bibel
(Gen 6.18-19: "Mit dir aber schließe ich meinen Bund. Geh in die Arche, du, deine Söhne, deine Frau und die Frauen deiner Söhne! Von allem, was lebt, von allen Wesen aus Fleisch, führe je zwei in die Arche, damit sie mit dir am Leben bleiben; je ein Männchen und ein Weibchen sollen es sein.")
abgeschrieben? Und hat die Bibel nicht schon vom Gilgamesch-Epos
(11. Tafel: "Reiß ab das Haus, erbau ein Schiff, Laß fahren Reichtum, dem Leben jag nach! Besitz gib auf, dafür erhalt das Leben! Heb hinein allerlei beseelten Samen ins Schiff!")
abgeschrieben? Eben. Und das alles auch ohne Quellenangaben! Selbst der große Doppel-t-Träger Ludwig Wittgenstein hat noch im Vorwort zum Tractatus freimütig bekannt:
"Ja, was ich hier geschrieben habe, macht im Einzelnen überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum gebe ich auch keine Quellen an, weil es mir gleichgültig ist, ob das was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat."
Hatte man dies einem Genie wie Wittgenstein jemals zum Vorwurf gemacht? Warum also peitscht man beim größten und brilliantesten Kriegsminister, den wir je hatten, eine solche Belanglosigkeit zum Skandal hoch? Nur, weil es wörtlich wiedergegeben ist? Mal ehrlich - wenn ein Macher wie Guttenberg seine wertvolle Zeit darauf verschwendet hätte, den Text schlicht umzuformulieren, wäre die Arbeit dadurch besser geworden? Eben.

Samstag, 12. Februar 2011

Der Duft der Frauen

Gerade eben, es ist noch keine halbe Stunde her, da ist mir etwas ganz Fantastisches passiert! Ich gehe die Straße entlang nach Hause, und ich bin auch schon fast da, als mir zwei junge Frauen entgegen kommen. Und diese beiden Damen unterbrechen abrupt ihre Unterhaltung. Sie sehen mich an, sie drehen sich nach mir um, und sie beide werfen mir so unverhohlen gierige Blicke zu, wie ich sie mir noch nie erträumt habe! Diese Augen! Wie sie ihre roten Lippen leicht vorschoben! Und wie sie miteinander kicherten und tuschelten, als sie bemerkten, daß sie beide dasselbe dachten! Für einige Sekunden meines Lebens hätte ich nicht mal mit George Clooney tauschen wollen! Und das Beste an diesem Erlebnis ist: ich weiß, woran mein Erfolg lag! Ich werde ihn also wieder genießen können. Man muß nur einfach, wenn man seine Pizza Caprese nach Hause trägt, den Kartondeckel nicht ganz schließen. Und wenn man dann ganz in warmen, frischen Pizzaduft eingehüllt ist, dann muß man natürlich noch auf zwei ausgehungerte junge Damen hoffen...

Samstag, 5. Februar 2011

Homöopath beweist: Effekt auch ohne nachweisbaren Verstand!

Am heutigen Samstag veranstaltet im deutschsprachigen Raum die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften die 10:23-Aktion. Dabei schlucken die Teilnehmer öffentlich eine "Überdosis" homöopathischer Mittelchen - ein Vielfaches der "normal" verabreichten Menge. Dabei wollen sie zeigen, daß mit den Teilnehmern einfach gar nichts passiert, denn schließlich ist die gesamte Homöopathie nichts als Humbug. Eine simple PR-Aktion gegen die Homöopathen? Sicher, als solche begann es. Doch dann hat der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte in seinem Organ "Homöopathische Nachrichten" schon mal vorab Stellung bezogen. Und damit kann diese Aktion schon mal eine herrliche Selbstbloßstellung für sich verbuchen und ist vor ihrem Stattfinden schon ein voller Erfolg! Als kleiner Service für den Leser seien hier die wichtigsten Stellen der Homöopathenerklärung in eine klare Sprache übersetzt:

Liebe Skeptiker!
Ihr nervigen, kleingeistigen Erbsenzähler!

Es ehrt Sie, dass Sie nicht alles glauben, was man Ihnen vorsetzt.
Ihre ewige Nörgelei kann einem echt auf den Sack gehen. Aber was soll man anderes machen, als gute Miene?

Dass etwas derart Verdünntes noch einen Effekt haben soll, ist schwer mit dem gesunden Menschenverstand zu vereinbaren.
Genau genommen, gar nicht. Aber wir als Homöopathen haben es ja sowieso nicht mit gesunden Menschen zu tun!

Homöopathen behaupten, dass Hochpotenzen einen substanzspezifischen Effekt hervorbringen; sie behaupten nicht, dass es sich dabei um einen pharmakologischen Effekt handelt.
Wir behaupten, dass Sie, wenn sie mit dem Auto fahren, von der Stelle kommen; wir behaupten nicht, dass das etwas mit Transport zu tun hat. Wie schon gesagt, wir beanspruchen ja schon gar keinen gesunden Menschenverstand für uns!

Diese Wirkungen lassen sich von pharmakologischen Wirkungen deutlich unterscheiden; sie sind stark individuell geprägt und den pharmakologischen Wirkungen der jeweiligen Substanz häufig entgegengesetzt.
Wenn wir einfach nicht so genau sagen, was die Wirkung sein wird, dann kann ja schließlich alles, was passiert, als vom homöopathischen Mittelchen verursacht interpretiert werden!

Die Wahrscheinlichkeit, dass das ein oder andere Phänomen auftritt, ist bei häufigerer Einnahme deutlich höher.
Wenn Sie unsere Mittelchen nur lange genug einnehmen, dann wird irgendwann schon mal irgendwas mit Ihnen passieren. Und das ist dann natürlich auf das Mittelchen zurückzuführen! Das beweist, das Homöopathie wirkt!

Wenn keine Symptome auftreten, könnte das daran liegen, dass das Mittel nicht zu ihnen passt.
Wenn partout nichts passieren will, beweist das... nicht, dass Homöopathie nicht wirkt!

In diesem Fall könnten sie den Versuch mit einem anderen Mittel wiederholen.
Irgendwann wird schon mal was mit ihnen passieren! Und wenn sie immer Mittelchen schlucken, dann ist schon mal bewiesen: Homöopathie wirkt!

Inhaltlich ist die sogenannte Überdosierung völliger Nonsens, da es bei Hochpotenzen keine Rolle spielt, ob 2 oder 500 Globuli zu sich genommen werden.
Noch genauer gesagt, spielt es keine Rolle, ob 0 oder 500 Globuli zu sich genommen werden. Aber um seriös zu wirken, verschreiben wir unseren Patienten natürlich trotzdem eine bestimmte Anzahl von Globuli pro Tag, zusammen mit genauen Hinweisen zur Einnahmeprozedur.

Das homöopathische Arzneimitelprüfungen funktionieren, ist gut dokumentiert und in Doppelblindstudien bestätigt.
Ich habe zwar gerade erklärt, dass so schnöde wissenschaftliche Methoden oder auch nur der gesunde Menschenverstand bei der Homöopathie nicht greifen. Aber ich schreibe trotzdem mal was von Doppelblindstudien unter ein Bild von mir selbst. Denn beim flüchtigen Leser bleibt immer was hängen - sei es, dass Homöopathie wissenschaftlich bestätigt sei, sei es, dass sie sich nicht wissenschaftlich überprüfen lässt. Pfiffig, was? Da könnt Ihr blöden Skeptiker nicht mehr mithalten...!

Ja, noch deutlicher können die "homöopathischen Ärzte" eigentlich gar nicht sagen, daß sie ihre Patienten verarschen. Und damit ist auch das Gewissen entlastet: wer so blöd ist, daß er jetzt immer noch sein Geld für Globuli ausgeben will... der verdient es auch wirklich nicht besser!

Freitag, 4. Februar 2011

Die lebenden Fossilien der Aufklärung

Ein wohlbekanntes, aber im Grunde doch erstaunliches Phänomen ist es, daß manch veraltetes Gedankengebäude einfach nicht aussterben will, selbst wenn der Weltgeist schon ein ganzes Stück weiter gezogen ist. Man denke nur mal an den Kommunismus: eine Theorie, die in etwa so zukunftsweisend ist wie die Steuererklärung von vor drei Jahren. Und dennoch gibt es auch heute in Deutschland noch das Häuflein derjenigen, die weiter von der Revolution träumen. Ein anderes Programm dieser Art ist die philosophische Bewegung der Aufklärung. Nur ist diese nicht wie der Kommunismus beeindruckend gescheitert, sondern ganz im Gegenteil. Das Programm der Aufklärung ist zumindest in Deutschland quasi erfüllt worden. Nur, so viel, wie sich manch einer davon erhofft hätte, ist wohl doch nicht dabei herumgekommen. Vermutlich ist das der Grund dafür, weshalb einige die Vollendung der Aufklärung gar nicht bemerken, und sich die Gemeinde der "Humanisten", "Freidenker" und diverse kleine Blogs weiter die Verbreitung der Aufklärung auf die Fahnen geschrieben haben.
Gut - für das letzte Dorf in Süddeutschland möchte ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Aber wenn man Deutschland mal so im Ganzen betrachtet, dann kann man von der Verbreitung der Aufklärung, jenem Ausgang aus der selbstverschuldeten Unfähigkeit, sich seines Verstandes ohne die Anleitung anderer zu bedienen, schon beeindruckt sein. Denn Aufklärung ist nur Aufklärung, wenn die Ursache der Unfähigkeit, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, im Mangel des Mutes und der Entschließung liegt. Nicht etwa im Mangel des Verstandes. Und an Mut und Entschließung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, daran mangelt es in Deutschland nun wirklich nicht! So ziemlich jeder meint, die Früchte seines Verstandes genießen zu müssen. Und so werden eifrig Blogs geschrieben. Gläubige begründen ihren Glauben nicht mehr mit Aber der Pfaffe hat gesagt..., sondern mit Ich kann mir einfach nicht denken, daß das hier alles zufällig entstanden sein soll..., und es wird leidenschaftlich am persönlichen kleinen Cross-over aus Christentum und Buddhismus gebastelt. In jeder Nachmittagstalkshow geben die Gäste die Schlußfolgerungen ihres Verstandes schamlos zum Besten. Schließlich gipfelt die Aufklärung in beeindruckenden Stellungnahmen, wie mir selbst schon passiert: Wenn man etwa gegen die lapidare Behauptung, ein bestimmter Sachverhalt sei natürlich und offensichtlich so und so, einwendet, daß diese Angelegenheit vieleicht doch nicht so offensichtlich sei, denn immerhin hätten sich Persönlichkeiten wie Leibniz oder Kant ausgiebige Gedanken darüber machen müssen. Dann bekommt man die Antwort, daß dem Gesprächsparter diese Überlegungen ganz egal seien, er vertraue lieber auf seinen eigenen Kopf. Wahrlich, an Mut und Entschließung zur Benutzung des eigenen Verstandes mangelt es nicht mehr! Das Problem liegt eher im Mangel an Verstand. Und das ist ja nicht mehr erklärte Angelegenheit der Aufklärung.
Nehmen wir die Aufklärung also als das, was sie ist: ein notwendiger und umgesetzter historischer Schritt, der aber die Ressourcen an Verstand dramatisch überschätzt hatte. Was nun gebraucht wird, ist ein Programm, wie mit dem allgemeinen Mangel an Verstand umgegangen werden kann. Und da gibt es bisher leider keine so überzeugenden Ansätze.

Dienstag, 1. Februar 2011

Hegel-Preis für Mißachtung der Logik - Die Preisverleihung!

Es ist vollbracht! Der Preisträger des erstmalig verliehenen Hegel-Preises für die Mißachtung der Logik steht fest!
Groß war die Aufregung in den vergangenen Wochen! Die
Leser dieses Blogs stimmten unter den vier Kandidaten für den Hegel-Preis ab, und ganze einhundertsechsundzwanzig Stimmen wurden gezählt. Und das Ergebnis, es ist eindeutig! Doch gehen wir die Kandidaten der Reihe nach durch.

Mit beeindruckenden 7,1% der Stimmen auf dem 4. Platz: Bundesminister Dirk Niebel! Für mehr hat es dann leider doch nicht gereicht. Doch ihm selber und seinen Anhängern bleibt doch ein Trost: Ein besseres Ergebnis wird ein Vertreter der FDP bei einer Wahl so schnell nicht wieder einfahren!

Platz Drei geht mit 14,3% der Stimmen an den Klärwerksbetreiber Anton Stucki! Leider kann Herr Stucki letztlich den Kampf um Preis für die Mißachtung der Logik doch nicht für sich entscheiden. Doch auch hier bleibt uns ein Trost: Die tolle Idee, die Aktivität von Mikroorganismen durch die richtige Musikauswahl zu optimieren, wird noch von großem Nutzen für die gesamte Menschheit, weit über die Kläranlagen hinaus, sein! Inzwischen beschalle ich z.B. in meiner Abwesenheit mein Bad in Endlosschleife mit Musik von Xavier Naidoo. Und dort wächst nun nicht einmal mehr der Schimmel! Größere Preise als dieser warten da bestimmt noch auf Herrn Stucki.

Und damit kommen wir zum zweiten Platz! Mit 19,8% der Stimmen geht dieser an den österreichischen Schauspieler und Komiker Roland Düringer! Herzlichen Glückwunsch zu dieser guten Plazierung, durch die grandiose Argumentation zugunsten der Existenz Gottes aka "Das Leben" völlig verdient!

Doch nun, endlich, zum Sieger! Der Preis für die beste Mißachtung der Logik im Jahre 2010 geht mit einer beeindruckenden absoluten Mehrheit von 58,7% auch nach Österreich! Glauben wir mal an einen Zufall, daß gleich der zweite und erste Platz in diesem Wettbewerb nach Wien gehen... Am ersten Platz zeigt sich, gelernt ist gelernt, und das über Jahrtausende! Die Vertreter Gottes auf Erden haben wieder einmal demonstriert, daß ihnen in der Mißachtung der Logik so leicht niemand das Wasser reichen kann! Und wir sind stolz, gleich als erstes diesen Preis an eine solch bedeutende Persönlichkeit vergeben zu dürfen. Herzlichen Glückwunsch an Christoph Kardinal Schönborn! Applaus! (Hier mindestens fünfmal in die Hände klatschen!)
Der Preis wurde bereits im Rahmen eines Festakts in Abwesenheit an Herrn Kardinal Schönborn verliehen.

Als angemessener Laudator auf den Preisträger konnte der erfolgreiche, und außerdem ungemein scharfsinnige, verdammt gut aussehende und zur schonungslos realistischen Selbsteinschätzung fähige Blogger Thomas S. gewonnen werden! Die vollständige Laudatio mit einer kritischen Würdigung der Leistung des Preisträgers ist selbstverständlich im Wortlaut auf diesem Blog dokumentiert!
Und auf der sich an den Festakt anschließenden inoffiziellen Verleihungsparty konnten die Besucher und Ehrengäste noch lange bei einem Glas Portwein am Kamin die weitreichenden Implikationen der logischen Glanzleistung des Herrn Kardinal Schönborn diskutieren.

Das Preiskomitee gratuliert noch einmal ganz herzlich dem Preisträger, dankt allen, die sich an der Abstimmung beteidigt haben, und es hat keinen Zweifel daran, daß sich im Jahre 2011 würdige Nachfolger um den nächsten Hegel-Preis für die Mißachtung der Logik bemühen werden!
Guten Abend.

Laudatio auf Herrn Kardinal Schönborn

Anlässlich der Verleihung des Hegel-Preises für die Mißachtung der Logik 2010

von Thomas Steinschneider

Meine Damen, meine Herren, liebe Freunde,

heute haben wir uns aus einem sehr besonderen Anlass heraus zusammen gefunden. Heute wollen wir einen Menschen ehren, der für uns, für alle seine Mitmenschen und für alle kommenden Generationen Außergewöhnliches geleistet hat. Ich spreche natürlich von Herrn Christoph Maria Michael Hugo Damian Peter Adalbert Kardinal Schönborn. In den Fußstapfen seines Herrn Jesus Christus wandelnd, entschied sich dieser Hirte für ein karges Leben voller Demut und Bescheidenheit, um die unsterblichen Seelen seiner Schafe vor der zweifellos verdienten ewigen Verdammnis zu bewahren. Doch seine entbehrungsreiche Existenz zwischen Audi-Limosinen, Bischofspalais und Fernsehstudio schien seinen ihm von Gott selbst eingeblasenen und so ruhelosen Verstand nur zu beflügeln. Denn nicht nur gefiel es dem Herrn im Himmel, ihn mit unbestreitbaren Argumenten gegen naturwissenschaftliche Verblendungen wie der Evolutionstheorie zu wappnen. Nein, es gelang diesem Hunde des Herrn sogar, in Verteidigung der Lehren seines Brötchengebers vollkommen neue Wege der logischen Argumentation für die gesamte Menschheit zu erschließen! Und dieser letzten, vieleicht seine bisher größte Tat, wollen wir heute zumindest einen kleinen Teil der Anerkennung zukommen lassen, die ihr gebührt. Lassen Sie mich zunächst noch einmal seine ausgezeichnete und wegweisende Äußerung zitieren:

Wenn er der Zölibat Schuld [am sexuellen Mißbrauch] hätte, dann dürfte es in den Familien keinen Missbrauch geben.”

Wir wollen hier und jetzt, in diesem feierlichen Rahmen, gar nicht den schmutzigen Anlass betrachten, dem wir diesen Durchbruch im menschlichen Denken verdanken – jene verdammenswerte antikirchliche Schmutzkampagne einiger linker Medien gegen eine Institution, der die Menschheit nichts weniger verdankt als die Moral schlechthin! Schließlich weiß auch der letzte oberbayrische Katholik aus der göttlichen Tiefe seines Herzens heraus mit Gewissheit, daß heidnische und atheistische Kulturen die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch an Weihnachten ihre Kinder zu verspeisen pflegten, die durch Liebe ermöglichte wechselseitige Immanenz von Gott-Vater und Gott-Sohn nicht erkannten, und im Fernsehen nichts als Titten und Reklame für blähbauchreduzierenden Joghurt brachten. Und nun ist es das Verdienst von Kardinal Schönborn, daß wir dem Christentum von heute an nicht nur die Moral verdanken, sondern auch einen der größten Fortschritte in der ehrwürdigen Wissenschaft der Logik seit der Analytica Priora des Aristoteles.

Lassen Sie mich etwas näher auf des Herrn Kardinals Leistung eingehen. Zunächst einmal müssen wir festhalten, daß sich hinter dem “Schuld haben” in seiner Aussage eigentlich die negative Formulierung einer Ursache verbirgt. Wenn der Zölibat Ursache von sexuellem Mißbrauch wäre, dann dürfte es in den Familien einen sexuellen Mißbrauch geben, so heisst es. Manch einer wird jetzt einwenden wollen, daß der hochlobenswürdige Preisträger doch nur “vergisst”, daß es für einen Sachverhalt verschiedene Ursachen geben kann. Und solch kleine “vergessene” Details zum Wohle des Seelenheils der Schäfchen sind in der katholischen Kirche ja gar nicht so ungewöhnlich. Wo also sollte hier ausgerechnet die Mißachtung der Logik liegen, für die Kardinal Schönborn ausgezeichnet wird? Um das zu sehen, müssen wir ein wenig tiefer in die richtungweisenden Aussagen des Preisträgers vordringen. Um die ausgezeichnete Aussage vollends würdigen zu können, wollen wir versuchen, sie logisch zu formalisieren. Da es offensichtlich nicht möglich ist, Sachverhalte logisch zu verbinden, sondern nur Sätze, müssen wir zunächst die Sachverhalte, “daß A”, durch den korrespondierenden Satz, “A”, ersetzen. Haben wir dies einmal getan, so müssen wir zunächst das “Ursache sein von” logisch formalisieren, z.B. indem wir das Konzept der Minimalen Theorie verwenden: Ein Faktor A ist genau dann kausal relevant für einen anderen Faktor B, wenn er im Antezedenz der Minimalen Theorie von B enthalten ist. (Natürlich handelt es sich dabei nur um die Bedingung für direkte kausale Relevanz. Mit Hinblick auf die fortgeschrittene Stunde sei mir diese Einschränkung hier aber gestattet.) Rufen wir uns in Erinnerung, was eine Minimale Theorie von B ist. Eine Minimale Theorie von B ist ein Doppelkonditional mit einer minimal notwendigen Disjunktion minimal hinreichender Bedingungen von B im Antezedenz, und B im Konsequenz, so daß jeder Faktor im Antezedenz von B bei jeder Erweiterung des Doppelkonditionals darin erhalten bleibt. Zur logischen Formalisierung ist es nun nur noch ein kleiner Schritt. Alles, was zu tun bleibt, ist, das Doppelkonditional formal niederzuschreiben:

[(AX ∨ Y) ∧ F → B] ∧ [B → (AX ∨ Y) ∧ F]

Dies drückt nichts weiter aus, als daß A kausal relevant für B ist. Oder, wenn A die zölibatäre Lebensweise ist, und B der sexuelle Mißbrauch, dann haben wir nun die formale Niederschrift von Kardinal Schönborns Prämisse “Wenn der Zölibat Schuld hätte...”.

Nun müssen wir uns noch an die Schlußfolgerung machen. “Es gibt keinen Mißbrauch in den Familien” ist nun nichts weiter als

¬[¬(AX ∧ F) ∧ B]

Die gesamte logische Schlußfolgerung des Preisträgers lautet also

{ [(AX ∨ Y) ∧ F → B] ∧ [B → (AX ∨ Y) ∧ F] } → { ¬[¬(AX ∧ F) ∧ B] }

Nun formen wir unter Verwendung der Beziehung (Q → P) ≡ ¬(Q ∧ ¬P) noch die Schlußfolgerung um:

{ [(AX ∨ Y) ∧ F → B] ∧ [B → (AX ∨ Y) ∧ F] } → { B → (AX ∧ F) }

Und jetzt erst offenbart sich die ganze Tiefe, die ganze Weitsicht des Laureaten! Das “klassische” “∨Y” ist eliminiert! Wir stehen vor einer Schlußweise, wie sie nur ein besonderes Genie auffinden konnte. Und zugleich steht die Wissenschaft hier vor einer Herausforderung. Den die Leistung des Kardinals, sie ist auch zugleich Aufruf und Aufgabe. Brauchen wir wirklich die gesamten Prämissen für diesen Schluß? Können wir gar direkt von einem X → (Y ∨ Z) auf X →Y vereinfachen? Noch lange nach uns werden die größten Geister der kommenden Generationen mit dieser Frage beschäftigt sein. Und noch lange nach uns werden die Menschen mit den intellektuellen Herausforderungen eines ausgezeichneten Katholen wie Herrn Kardinal Schönborn ringen. Wir selber aber sind gezwungen, uns heute mit einem kurzen Blick auf dieses weite Feld zu begnügen. Doch wir dürfen dankbar sein. Dankbar, daß es uns vergönnt war, dabei zu sein, als dieses weite Feld von einer herausragenden intellektuellen Persönlichkeit wie Herrn Kardinal Schönborn für die Menschheit eröffnet wurde. Und mit diesem Schlußgedanken liegt es nun an mir, das Buffet zu eröffnen. Selbstverständlich werden dazu auch Alkoholika serviert werden. Denn Alkohol, das ist jetzt genau das, wonach es dem einfachen Geist nun verlangt. Vielen Dank. (Hieran schlossen sich dann noch 17 min 23 sec ununterbrochenen Beifalls an.)