Mittwoch, 30. März 2011

Irdisch, Menschlich, Marsianisch

Jaaa, ich mache nochmal eine Ausnahme für bild.de. Diesmal gibt es zwar nicht so was schönes wie ein "Moonageddon", aber es kommen immerhin gleich zwei Dinge zusammen, die mir, wie der treue Leser schon weiß, gründlich auf die Nerven gehen: Panspermie und das Aufwärmen gefühlt uralter Geschichten. Heute berichtet bild.de in seiner Mystery-Rubrik, daß wir möglicherweise alle vom Mars stammen, und daß amerikanische Forscher dies vor Ort auf dem Mars untersuchen wollen! Und ganz so blöde, wie "Bild Mystery" erst mal vermuten ließe, ist die Sache nun auch wieder nicht. Hier also nun die ganze, erschütternde Geschichte!

Die Idee ist diese: Meteoriten können vom Mars zur Erde gelangen, und umgekehrt. Viel leichter sollten sie aber vom Mars zur Erde gelangen können. Und auf diesen Meteroriten könnten hypothetisch Bakterien von einen auf den anderen Planeten gelangen. Und als vor 3 bis 4 Milliarden Jahren auf der Erde oder auf dem Mars Leben entstanden ist, dann könnte über Meteoriten der eine Planet vom anderen gewissermaßen "infiziert" worden sein. Und es gäbe (oder gab) auf Erde und Mars verwandte Lebensformen.
Soweit, so hypothetisch, und für nichts weiter gut, wie die ganzen Panspermiefantasien. Denn schließlich ist es nicht klar, ob es auf dem Mars überhaupt je Leben, und sei es auch nur in der einfachen Form von Mikroben, gab. Geschweige denn, ob es dieses Leben heute noch gibt.

Dennoch machen einige Wissenschaftler in den USA eifrig Werbung für ihren Plan, vor Ort mit einem von ihnen gerade entwickelten Gerät nach DNS und RNS auf dem Mars zu suchen, und ggf. zu sequenzieren. Durch dieses Experiment soll die These einer Verwandschaft zwischen irdischem und noch unentdecktem marsianischen Leben geprüft werden. Eine solche Werbung ist z.B. die Presseerklärung des Massachusetts Institute of Technology vom 23. März 2011, die auch die Grundlage für den bild.de-Artikel liefert. Das dadurch geweckte Interesse zeigt auch die weitere Berichterstattung, z.B. ein Interview mit dem von bild.de zitierten Christopher Carr auf Space.com vom 25. März. Sowohl die Presseerklärung als auch das Interview traten ihren Weg um die Welt an (z.B. hier, hier, hier), bis zur Bild.

Doch wie schon erwähnt, so richtig neu ist all dies wirklich nicht. So findet sich z.B. vor ziemlich genau zwei Jahren, im durchaus seriösen New Scientist vom 9. April 2009, ein ausführlicher Artikel über das Mars-DNS-Suchvorhaben. Dort werden übrigens auch all die Probleme mit diesem Ansatz angesprochen, die mich wetten lassen würden, daß dieses Experiment nicht, wie von Carr und Freunden gehofft, 2018 mit zum Mars fliegen wird: Daß es nicht einmal klar ist, ob es dort überhaupt Leben gab oder gibt, daß DNS und RNS viel zu unbeständig sind, um als guter Nachweis bereits verstorbenen Lebens dienen zu können, daß die Annahme eines Bakterienaustauschs zwischen Erde und Mars viel zu eng gedacht ist, und so weiter.

Aber ok, Werbung ist alles, und eine neue Presseerklärung, eine Reihe neuer Artikel! Das funktioniert um Weltraum ja öfters. Schön ist aber doch, was bild.de aus dieser dünnen Werbung von Carr und Mitarbeitern so alles gemacht hat:
„Wenn wir auf dem Mars landen, sollten wir nach Lebewesen suchen, die in einer Beziehung zu menschlichen Leben stehen."
Gut, hier ist das "us" in der vermutlich zugrunde liegenden Originalstelle in der Presseerklärung schon mißverständlich:
"So we should at least be looking for life on Mars that's related to us."
Denn das "related" und "us" schlösse letztlich alles irdische Leben ein, nicht nur das Menschliche speziell. Schließlich würde die Verwandschaft sich ja schon vor mehr als 3 Milliarden Jahren auf Mikrobenebene getrennt haben. Es geht aber noch schöner, wenn man konsequent beim "menschlich" statt "irdisch" bleibt:
"Alien-Mikroben, die menschlichen Lebensformen ähneln, könnten Astronauten auf einer Mars-Mission gefährlich werden.“
Vor Alien-Mikroben, die Menschen ähneln, das weiß ich als alter Science-Fiction-Gucker, hätte ich dann auch ganz bestimmt Angst!

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