Donnerstag, 17. Mai 2012

Shock and Awe für Alle

Wer hat sie nicht: Probleme. Egal ob Atommüllendlager, Flughafen oder Sterbehospiz in der Nachbarschaft, irgendeine geplante Veränderung verdirbt uns immer unsere ansonsten ach so gute Laune. Glücklicherweise ist man den Bedrohungen nicht hilflos ausgeliefert - man kann es immer noch mit einer ordentlichen Kampagne versuchen! Doch wie starte ich eine erfolgreiche Kampagne für mein und gegen das Anliegen der anderen? Als Leserservice bietet DWüdW gerne Hilfe: So fahren Sie eine ordentliche Kampagne, für oder gegen was auch immer!

Basics

- Einheit und Alleinvertretung
Bevor sie ihre Kampagne groß rausbringen, müssen Sie sicherstellen, daß Sie nach außen Ihre Einheit und Ihren Alleinvertretungsanspruch in ihrem Anliegen zur Schau tragen. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, es könne vielleicht andere, gleichermaßen Betroffene geben, die ihre eigene Position nicht teilen! Immer gut ist der Slogan "Wir sind (der/die/das)...": "Wir sind Opel", "Wir sind Kirche", "Wir sind die Urheber". Eingestaubt? Vielleicht. Doch wenn man mit "Wir sind das Volk" einen Staat hinwegraffen konnte, dann wird's ein "Wir sind die Anwohner!" schon für/gegen einen geplanten Kinderspielplatz tun.

- Alle einbeziehen
Haben Sie sich als Alleinvertreter aller unmittelbar Betroffenen etabliert, müssen natürlich alle, wirklich alle in das Problem einbezogen werden. Nicht, daß noch jemand glaubt, Ihr Anliegen könne ihm egal sein! Hier kann es natürlich ein bisschen knifflig werden. Aber im Zweifel tut einfach die Behauptung, es "schützt uns alle". Auf sachliche Argumente kommt es bei einer ordentlichen Kampagne letztlich ohnehin nicht an.

- Die Welt geht unter
Sind alle einbezogen, heißt es, die Bedrohung möglichst groß darzustellen. Anderensfalls könnte der ein oder andere unter "allen" denken, er hätte wahrlich größere Sorgen als gerade Ihr Anliegen. Und an dieser Stelle heißt es, alle Hemmungen fallen zu lassen! Die Bedrohung kann einfach gar nicht groß genug sein: Ohne Karstadt stirbt die Innenstadt, der Versandhandel mit Medikamenten läßt die Gesundheitsversorgung zusammenbrechen, ohne Verschärfung des bestehenden Urheberrechts fallen wir alle wieder der Lehnsknechtschaft anheim. Keine Sorge, sollten Ihnen ihre eigenen absurden Szenarien lächerlich erscheinen. Aufgrund irgendeines psychologischen Mechanismus wird man ihre Übertreibungen nicht als die stupide Panikmache interpretieren, die sie nun mal ist, sondern als zwar etwas weitgehende, aber dennoch ehrliche Sorge um das Allgemeinwohl interpretieren.

Feintuning

- Der Scheingegner
Nun heißt es, einige gefährliche Klippen zu umschiffen. Oft wird Ihr individuelles Anliegen gerade den Interessen der Mehrheit zuwiderlaufen, an die sich Ihre Kampagne richtet. Eine Aufhebung des Ladenschlusses mag Ihnen z.B. nicht in den Kram passen, der Mehrheit der Bevölkerung wird aber mehr Annehmlichkeiten bringen. Sie wollen keine Musikdownloads, alle anderen schon. Hier muß unbedingt verdeckt werden, daß Sie eigentlich gegen die Interessen der Adressaten Ihrer Kampagne agieren! Ein großer, böser Scheingegner schafft hier leicht Abhilfe. Konzerne sind die erste Wahl. Ein jeder weiß, daß das kleine, inhabergeführte Unternehmen an der Ecke jeder amoralischen oder gar hinterhältigen Verhaltensweise unfähig ist, sich liebevoll um das Wohl der Angestellten kümmert und überhaupt nur existiert, damit die Welt ein besserer Ort wird. Konzerne dagegen sind kriminelle Organisationen, die tatsächlich nur existieren, um Gewinn zu erwirtschaften. Konzerne sind als vermeintlicher Gegner super, Energiekonzerne, Chemie-, Atom- oder Pharmakonzerne sind besser. Internetkonzerne aber sind die Königsklasse der Bösewichte! Setzen sie noch ein "global agierend" hinzu, denn Globalisierung ist sowieso das Böse schlechthin. Als Beispiel kann hier die vorbildliche Warnung vor den "global tätigen Internetkonzernen" sein, wie sie die für sympathische kleine Familienunternehmen wie Bertelsmann oder Springer werkelnden Urheber verbreitet hatte.

- Das Gesicht
Denken Sie darüber nach, welches Gesicht ihre Kampagne in der Öffentlichkeit repräsentieren soll! Als Erstes mag man an Prominente denken, doch hier drohen unkalkulierbare Risiken. Am Ende rechnet womöglich irgendwer die CO2-Bilanz für deren Ferrarisammlung aus. Oder ein Unfall bringt ans Licht, daß Ihr Aushängeschild für den Tierschutz in Botswana Elefanten abknallt. Sicherer und nicht weniger erfolgreich dagegen ist die Wahl einer hübschen jungen Frau. Blicken wir nur wieder nach Osten! Wieviel mediale Aufmerksamkeit hätte Julia Timoschenkos Schicksal wohl erfahren, wenn statt ihrer hübschen jungen Tochter ein untersetzter Sohn mit schiefer Nase im Westen für ihre Anliegen herumgezogen wäre? Hübsche junge Frauen wirken frisch, modern und weltoffen. Schöne junge Frauen fotografiert man gerne, interviewt man gerne, und das Beste: Beim Interviewer setzt mit Sicherheit jede höhere Hirnaktivität aus! Nur eine hübsche junge Frau garantiert maximale mediale Aufmerksamkeit bei gleichzeitig minimaler sachlich-kritischer Auseinandersetzung mit Ihrer Kampagne! Vermutlich wäre selbst der Arabische Frühling weltweit deutlich mehr beachtet worden, wären die engagierten jungen Frauen in enger Jeans und ohne diese abtörnenden Köpftücher für ein paar schöne Symbolbilder vor die internationalen Fotojournalisten getreten.


Laufender Betrieb

- Gesprächsbereitschaft signalisieren
Ist Ihrer Kampagne erst einmal angelaufen, gilt unbedingt: Betonen Sie Ihre Gesprächsbereitschaft! Denken Sie nur an Pro-NRW oder die Salafisten! Dank deren zur Schau getragener Kompromisslosigkeit erkennt jeder auf den ersten Blick deren Dumpfbackigkeit. Der geschickte Kampagnentreiber, sei es für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, die Privilegien der Kirchen in Deutschland oder irgendeine beliebige Umgehungsstraße, signalisiert ständig seine Gesprächs-, oder besser noch, Dialogbereitschaft. Das wirkt offen, vernünftig, zivilisiert. Und keine Sorge, was die Ergebnisse eines "Dialogs" angeht. Die eine Hälfte des Dialogs führen Sie einfach mit Menschen, die eh' der gleichen Meinung sind. Und in der anderen Hälfte bleiben Sie mit Ihren Forderungen einfach so weit in Wolkenkuckucksheim, daß niemand ernsthaft darauf eingehen kann. Wenn jetzt noch in der Zeit, die sie mit "Dialogen" vertrödeln, hintenrum Tatsachen in Ihrer Sache schaffen können, dann haben sie das Optimum rausgeholt.

- Den Gegner diffamieren
Nicht zu unterschätzen sind die Erfolge, die sich durch dumpfes Diffamieren Ihrer Gegenposition herausholen können! Die Grünen wollen 5 Euro für den Liter Benzin, die Piraten wollen das Urheberrecht abschaffen, den Klimawandel gibt's gar nicht. Praktischerweise ist es dabei völlig egal, ob ihre Vorwürfe stimmen oder nicht. Allein die mühsamen, differenzierten Antworten, die ihre schlichten, knackigen Behauptungen verlangen, sind viel zu unsexy. Und Gier, Geiz und "die Gesundheit unserer Kinder riskieren" geht zur Not als Unterstellung eigentlich immer. Und irgendwas bleibt schon hängen, wenn Sie die Diffamierungen nur genug wiederholen!


Der Turbo

- Kinder und Tiere gehen immer
Sollte Ihre Kampagne trotz aller Bemühungen einfach nicht in die Gänge kommen, so stehen Ihnen immer noch einige Nachbrenner zur Verfügung. Kinder und Tiere beispielsweise auch bei einer Kampagne immer. Ein kleines Balg mit großen Kulleraugen die Parole auf die Bäckchen gemalt, ein Poster mit einem verblutenden Robbenbaby drauf, und schon hat man einen Fuß in der Tür der Seele. Denn es stimmt nun mal, der Mensch weint beim Tod von Bambis Mutter mehr, als beim Auslöschen ganzer Dörfer mittels Napalmbomben.

- Titten gehen immer
Nicht nur süße Babys und knuddelige Hundewelpen, auch Titten bringen garantierte Aufmerksamkeit. Man denke nur an Peta! Niemand würde diesen Spinnerverein kennen, würden sie nicht bei ihren Eßt-keine-Bockwürstchen-Aktionen regelmäßig nackte Frauen zur Fleischbeschau auslegen. Egal ob schlechte Studienbedingungen oder widerliche Ferkelkastrationen, ein paar Studentinnen, die nur auf einen guten Zweck warten, um ihre Möpse korrekt in die Kamera halten zu können, werden sich schon finden lassen. Und eine Klickstrecke beim Stern ist Ihnen damit sicher!

- Werden Sie drastisch
Urheber mit herausgerissen Herzen, blutverschmierte nackte Frauen in Frischfleischverpackung - wenn Sie mit Ihren Anliegen bei der dumpfen Masse einfach nicht durchdringen können, setzten Sie auf Splatter! Widerliche, drastische Bilder haben diesen Autounfalleffekt - der Betrachter kann einfach nicht wegsehen. Und Sie pflanzen Ihre Kampagne in die Erinnerung des Betrachters ein!

- Nazivergleiche
Die Ultima Ratio der Aufmerksamkeitsbeschaffung ist und bleibt immer noch der Nazivergleich. Doch Vorsicht, hier begibt man sich auf sehr dünnes Eis! Gebaut ist ein Nazivergleich recht schnell, vergleichen Sie halt irgendwas aus ihrem Anliegen mit irgendwas von den Nazis: Der Flughafenaufbau wird geplant wie der Autobahnbau der Nazis, die Occupy-Aktivisten benehmen sich wie ein SA-Trupp, Vanilleeis hat Hitler schon gerne gegessen. Sofort werden Sie die übliche Dynamik in Gang setzten. Erst kommt der Ruf "So was geht ja gar nicht", den parieren Sie mit einem "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen" und Sie stilisieren sich als Opfer. Schon stehen Sie mitten im Holocaust an der Backtheke. Doch nur allzu leicht kommt mit der Aufmerksamkeit auch die Abneigung gehen Ihre Kampagne. Greifen Sie daher nur zum Nazivergleich, wenn Sie alle anderen Mittel bereits ausgeschöpft haben!

Befolgen Sie diese kleinen Tipps, so werden Sie eine erfolgreiche Kampagne auf der Höhe der aktuellen Diskussionskultur laufen! Doch für den Fall, daß Sie sich mit Ihrem Anliegen am Ende nicht durchsetzen können, behalten Sie unbedingt die wichtigste aller Regeln im Sinn:

Fange niemals an, Deinen eigenen Parolen zu glauben!

Dienstag, 15. Mai 2012

Erektionen in Milch

Daß Männer primitive Lebensformen sind, wissen alle Frauen der letzten 10 000 Jahre. Sein Lebensmittelpunkt baumelt dem Manne am Schambein herab und sein Selbstwertgefühl hängt an dessen Erektionsfähigkeit. Eigentlich ist es unter diesen Umständen nur folgerichtig, daß der Mann unter seinesgleichen ausgiebig davon zu erzählen hat, wie oft er es dem kleinen Luder aus der Nachbarschaft in der letzten Nacht [in seiner Phantasie] besorgte. Ein solches Selbstverständnis bleibt Frauen unbegreiflich. Zwar habe sie es gelernt, je nach Gusto therapeutisch ("Das macht doch nichts, es war auch so schön für mich.") oder sadistisch ("Ich hab gestern meiner besten Freundin erzählt, daß du ihn nicht hochkriegst. Sie meint, du könntest ja mal mit ihrem neuen Macker reden, der weiß, wie man Frauen befriedigt.") auf den Mann einzuwirken. Doch der Kern männlicher Selbstbehauptung bleibt ihnen dennoch im Grunde ein primitives Rätsel.
Giebelschmuck am "Städtischen Stillhaus" (um 1910).
Frauen dagegen sind ganz, ganz anders. Was Männern die Potenz, ist ihnen die Fähigkeit zum Stillen. Jahrzehnte des Feminismus hin oder her, entdecken auch gestandene Frauen die kleine Kristina Schröder in sich und glauben, nur dann eine richtige Frau zu sein, wenn sie auch Mutter sind und ihr Kind selbstverständlich an ihrem Busen nähren. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel bekam ich gerade heute wieder geboten. Da steht man mit der Mutter und den beiden kleinen Zwillingen an den Bäuchen festgeschnallt an einer Ampel. Eine völlig unbekannte Frau und Mutter mit eigenen Zwillingen im Kinderwagen kommt hinzu. Nach dem kurzen, wechselseitigen "Hallo, wie süß!" kam die fremde Frau sofort auf den Punkt: "Und, wie klappt es mit dem Stillen?" Und noch bevor man mehr als ein "Ach, also..." antworten konnte, kam gleich: "Also, ich habe meine Beiden sieben Monate und zwei Wochen ausschließlich mit meiner eigenen Milch gefüttert!" Und noch jetzt, mit fast zwei Jahren, dürfen ihre beiden Kleinen noch immer regelmäßig am mütterlichen Lebensquell kosten. Ja, und ich kann fünf Mal in der Nacht. Also, in jeder Nacht. Diese angemessene Erwiderung habe ich der Unbekannten aber nicht gegeben, sondern das Gespräch den beiden anwesenden Frauen allein überlassen. Männern bleibt dieses weibliche Selbstwertgefühl eh' ein Rätsel. Aber einen Satz wie: "Ich habe dem Hubert auf der Arbeit gesagt, daß du nicht genug Milch hast. Er meinte, du könntest ja mal mit seiner Frau reden, die weiß, wie man Babys versorgt." sollte ein Mann nur zu einer Mutter sagen, wenn er riskieren will, seinen letzten gesellschaftlichen Auftritt als Familientragödie in den Abendnachrichten zu haben.
Nur einen Unterschied gibt es zwischen der männlichen Potenz und dem Stillen der Frau. Wenn die Hydraulik im männlichen Schritt nicht mehr genug Druck aufbaut, kann der Mann immer noch Wolkenkratzer bauen, auf den Mond fliegen oder sich eine Porsche als sichtbares Symbol seiner Manneskraft anschaffen. Doch wie kann eine Frau ihre weiße Liquidität ähnlich zur symbolisch zur Schau tragen, sind die Brüste trocken gefallen? Weiße Farbe in den Springbrunnen kippen? Die Seerosen gießen?
Da zeigt es sich: Selbst in Sachen Primitivität ist der Mann der Frau voraus.

Freitag, 11. Mai 2012

Wir sind die Grubenponys!

Mit Sorge und Unverständnis verfolgen wir als Grubenponys und Mulis die öffentlichen Angriffe gegen das Bergrecht. Das Bergrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit, und es garantiert die materielle Basis für individuelles bergbauliches Schaffen.

Der in diesem Zusammenhang behauptete Interessengegensatz zwischen Grubenponys und Minenbetreibern entwirft ein abwegiges Bild unserer Arbeitsrealität. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft geben Grubenponys die Vermarktung ihrer Produktion in die Hände von Grubenbetreibern, Bergbaugesellschaften oder Ponyzüchtern, wenn diese ihre Interessen bestmöglich vertreten und verteidigen. Die neuen Realitäten der Elektrizität und der Dampfmaschinen sind kein Grund, den profanen Diebstahl bergbaulicher Tätigkeit zu rechtfertigen oder gar seine Legalisierung zu fordern. Im Gegenteil: Es gilt, den Schutz des Bergrechts zu stärken und den heutigen Bedingungen des schnellen und massenhaften Zugangs zu den Gruben anzupassen.

Das Bergrecht ermöglicht, dass wir Grubenponys und Mulis von unserer Arbeit leben können und schützt uns alle, auch vor global agierenden Dampfmaschinenherstellern, deren Geschäftsmodell die Entrechtung von Grubenponys und Mulis in Kauf nimmt. Die alltägliche Präsenz und der Nutzen der Elektrizität in unserem Leben kann keinen Diebstahl rechtfertigen und ist keine Entschuldigung für Gier oder Geiz.

Thomas Steinschneider


Ok, erst ein Unterzeichner. Aber in der Kommentarspalte ist ja noch Platz... Dieser Text ist übrigens dreister Diebstahl geistigen Eigentums.

Explosive Hexen

Heute gab's mal wieder einen interessanten kleinen Artikel bei Spiegel Online:
Autofahrer stirbt bei Unfall mit Gefahrguttransporter
Und so schrecklich ein tödlicher Unfall auch ist, so amüsant ist der Bericht - wie eigentlich immer, wenn der Qualitätsjournalismus irgendwas über Chemikalien schreiben muß. Dann erfindet man gerne mal neue chemische Substanzen ("Stickgas"). Mindestens aber muß eine real existierende Substanz explosiv sein. Bei Schwefelsäure hatten wir das schon mal. Heute sind es Hexene. Und da geht der Spaß auch schon los. Die Polizeidirektion Itzehoe teilte zum Gefahrguttransporter mit:
"Geladen hatte sein Fahrzeug 28 Tonnen Hexene."
Und bei SpOn wird daraus:
"Der Transporter war den Angaben zufolge mit 29.000 Litern Hexene, einem Bestandteil von Superkraftstoff, beladen."
Mal beiseite, daß bei einer Dichte von um die 0,66 g/cm3 28 Tonnen dieser Substanz so um die 42.000 Liter wären, und sie auch nicht gerade typisch für Superbenzin ist. Der Tankwagen war (zumindest im Deutschen) nicht mit Hexene beladen, sondern mit Hexenen. Das "e" in "28 Tonnen Hexenen" ist ein Plural-e (oder es stammt von einer fehlenden Übersetzung des englischen Namens ins Deutsche). Hexene sind eine ganze Gruppe von Chemikalien, Kohlenwasserstoffe mit sechs Kohlenstoffatomen und einer Doppelbindung zwischen Kohlenstoff. Ein Hexen, viele Hexene. Hätte man bei Wikipedia nachlesen können. Dann hätte man auch lernen können, daß Hexene zwar als leicht entzündlich und gesundheitsschädlich eingestuft sind - verwandt mit Benzin eben - , nicht aber als explosiv. Die Polizei Itzehoe teilt auch in ihren Pressemitteilungen zwei Mal ausdrücklich mit, daß eine brennbare Flüssigkeit ausgelaufen ist. Doch die Dramatik beim Spiegel verlangt wohl, daraus drei Mal eine explosive Flüssigkeit zu machen:
"Rund hundert Liter einer explosiven Chemikalie liefen aus." 
"Aus dem Lastwagen liefen etwa hundert Liter einer explosiven Chemikalie aus." 
"Zwischen Itzehoe und Heide wurde zeitweise die Bahnstrecke wegen möglicher Explosionsgefahr gesperrt, ein Ersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet."
Laß' krachen, Spiegel!
Die Alleinschuld kann man dem Spiegel aber wohl nicht geben; er beruft sich auf dapd. Bei Meldungen, die sich auf dpa berufen (z.B. Die Welt, Berliner Zeitung und besonders schön das Hamburger Abendblatt) wird Hexen ganz unspektakulär zu flüssigem Paraffin, und es gab auch nur "Brand- und Explosionsgefahr". War da nicht auch mal was mit der Qualität bei dapd?

Mittwoch, 9. Mai 2012

Todesverachtung im Büro

Wie alle Jahre mal, so ist auch heute wieder die Pest des Bürolebens über uns hereingebrochen - die Arbeitsschutzbelehrung. Wäre man Stahlkocher oder würde man hauptberuflich im Genpool von Ebolaviren herumspielen, eine gründliche Arbeitsschutzschulung wäre eine vielleicht gar nicht mal so schlechte Idee. Aber was soll man denken, wenn eine Veranstaltung (ganz im Ernst!) mit der Feststellung beginnt, daß die größte Gefahrenquelle im Büro darin besteht, gegen Möbel zu laufen? Und so plätschert die Pflichtveranstaltung vor sich hin auf dem Niveau "Problem: Unzureichende Beleuchtung am Arbeitsplatz. Gegenmaßnahme: Sorgen sie für ausreichende Beleuchtung am Arbeitsplatz". Irgendwann hat sich das Hirn dann beleidigt entschlossen, die weitere Verarbeitung des eingehenden Datenstroms an ein paar gerade nicht ausgelastete Nervenzellen in der Nähe der Kniescheibe auszulagern, um selbst auf niedrigem Aktivitätsniveau die Sinnesdaten der neuen, durchaus anmutigen Kollegin noch mal im Detail durchzugehen. Dann kam das Thema "Geistige Ermüdung am Arbeitsplatz" und die Feststellung, daß geistige Ermüdung in mangelnde Motivation bei der Arbeit münden könne. Hier schlug die Kniescheibe Alarm, denn sie nahm an, daß dieses Thema für das Gehirn vielleicht doch von Interesse sein könnte. Also ließ es widerwillig vom Verlauf der Hüfte ab und sah auf der Folie die Antwort auf das Problem der geistigen Ermüdung am Schreibtisch prangen: "Vermeiden sie monotone Arbeitsabläufe". Gut. Und um reich zu werden, kreuzen sie die richtigen Lottozahlen an und um dem Tod zu entgehen, vermeiden sie es, zu sterben. Verabschiedet hat sich die Oberarbeitsschützlerin mit einem "Bis zum nächsten Mal dann!".
Bitte nicht.

Montag, 7. Mai 2012

Die Rückkehr des "Supermondes"

Jetzt komme ich einfach nicht umhin, ein drittes Mal in diesem Blog über den "Supermond" zu schreiben. Und die Triebfeder ist jetzt purer, ungehemmter Neid. Aber der Reihe nach.
Am letzten Wochenende war wieder ein "Supermond". Das Phänomen ist einfach und schnell beschrieben. Der Mond umkreist die Erde auf einer elliptischen Bahn und kommt so der Erde mal näher, mal ist er weiter entfernt. Dieser Wechsel findet während jeder Erdumrundung durch den Mond statt, also einmal im "Monat". Findet nun der Vollmond zur gleichen Zeit statt wie die größte Annäherung des Mondes an die Erde, dann hat man das, was jetzt "Supermond" heißt. Dieses Zusammenfallen von Vollmond und größter Annäherung an die Erde ist nun kein besonders seltenes oder bemerkenswertes Ereignis. Wie oft und wann es stattfindet, ist eine simple Abzählaufgabe:
Wie man bei Wikipedia nachlesen kann, findet der Vollmond alle 29,53 Tage statt (der "synodische Monat"). Die Zeit zwischen zwei Durchläufen des Mondes durch den erdnächsten Punkt seiner Bahn beträgt 27,56 Tage (der "anomalistische Monat"). Der "Supermond" wiederholt sich also immer dann, wenn ein ganzzahliges Vielfaches des synodischen Monats einem ganzzahligen Vielfachen des anomalistischen Monats gleich ist. Denn dann ist sowohl wieder ein Vollmond, als auch ist der Mond wieder am erdnächsten Punkt seiner Umlaufbahn. Das Verhältnis von anomalistischen zu synodischem Monat ist ungefähr 0,9333. Das ist wiederum etwa gleich 14/15 ≈ 0,9333. Also alle 14 synodischen Monate bzw. alle 15 anomalistischen Monate ist wieder ein "Supermond" - d.h. alle 413,4 Tage. Oder anders gesagt, der "Supermond" ist einmal im Jahr, dabei aber jedes Jahr etwa 48 Tage später als im Vorjahr. 2011 war es der 18. März, dieses Jahr der 6. Mai, und nächstes Jahr wird es der 23. Juni sein.
Was ist nun am "Supermond" so toll? Nichts. Der Vollmond ist zu diesen Ereignissen ein paar Prozent größer als sonst. Aber mal ehrlich, welcher moderne Mensch sieht sich den Mond schon regelmäßig so gründlich an, daß ihm einer solch kleiner Unterschied überhaupt auffallen würde? Und damit kommen wir nun zum ärgerlichen Teil.
Das Wort "Supermond" für dieses regelmäßige und belanglose Zusammenfallen von Vollmond und Erdnähe hat seinen spektakulären Namen von einem amerikanischen Astrologen, der dadurch seine Kaffeesatzleserei etwas aufpeppen wollte. Vollmond ist ja immer irgendwie bedeutungsvoll, nicht? Und Erdnähe klingt ja auch gefährlich, also hat er dieses Zusammentreffen in seine Horoskope eingebaut, ansprechend "Supermond" genannt und damit Naturkatastrophen "vorhergesagt". Das alles war schon 1979, und bis letztes Jahr hatte es in Deutschland kaum jemanden richtig interessiert. Zumindest in den "regulären" Onlinemedien findet sich vor 2011 nichts zu dem Thema. Doch letztes Jahr im März kam Bild.de mit einem ebenso unsinnigen wie alarmistischen Artikel zum Thema. Und dann kam da noch das verheerende Erdbeben vor Japan im März. Und plötzlich gibt es ein Interesse am "Supermond"... Dabei ist das Erdbeben vom 11. März 2011 zugleich auch der eindrucksvollste Beweis gegen die astrologische Vorhersage von Naturkatastrophen durch irgendwelche Supermondastrologie. Hier ist astrologische Einschätzung der Erdbebengefahr im März 2011, der angebliche "Supermondeffekt" eingeschlossen (netterweise hatte der Astrologe Nolle seine Prognose für den März 2011 nicht wieder gelöscht):


Nicht, daß ich von der astrologischen Vorhersagekraft überzeugt worden wäre, wenn das Beben in ein vorhergesagtes Gefahrenfenster gefallen wäre. Doch das es zufällig so wahnsinnig gekonnt daneben liegt, beeindruckt schon.
Mit dem "Supermond" hat man also ein simples, belangloses Phänomen, das, seit wer weiß wie lange etwa all 413 Tage auftritt und dessen Irrelevanz seit seinem ersten zur Kenntnis nehmen in Deutschland 2011 bereits eindrucksvoll belegt ist. Und doch gelang dem Astrologen Nolle allen Scheiterns zum Trotz etwas ganz Beachtliches. Das von ihm für ein banales Ereignis erfundene Wort "Supermond", 2010 noch unbekannt und 2011 nur bei Bild, tauchte dieses Jahr plötzlich nicht nur bei Bild.de, sondern auch gleich noch in der Onlinebrichterstattung der Süddeutschen, der Financial Times Deutschland, von Spiegel, Focus, Standard, n-tv, ZeitWelt, FAZ, u.v.m. auf. Da hatte das taz-blog wohl Unrecht, "Supermond" hat mehr als nur ein paar Tage Konjunktur. Und auf diesen geradezu unglaublichen Erfolg beim Erfinden vollkommen nutzloser Worte bin ich schon gewaltig neidisch!

Freitag, 4. Mai 2012

Wer dämlich ist, spricht darüber

Begeistert in den Ruf nach der Wiederkehr der Demut beim Spiegel einstimmend, sind die Demutsfestspiele auch bei DWüdW im vollen Gange. Beim Spiegel Online darf uns heute der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, was von der "Demut vor der Freiheit" ("Demut bezeichnet die freiwillige Akzeptanz von Unerreichbarkeit") erzählen und das Neue Testament als Schule der Demut antragen ("Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern und mit aufrichtigem Herzen, als wäre es Christus." Eph 6, 5). Bei DWüdW dagegen kommt Thomas Steinschneider zu Wort - der durch die Folgen eines Badeunfalls konservativ gewordene Chef-Kolumnist der Wahrheit über die Wahrheit!

Die Wiederkehr der Werte
Heute: Das Schwarze Fanal* von Thomas Steinschneider

Wie muß man sich den typischen DWüdW-Kolumnisten vorstellen? Vielleicht so: Von der Schaffenskraft anderer abhängend, erklärt er seinen Kindern nicht einmal den korrekten Gebrauch der Zahnbürste. Einer geregelten Arbeit ist er so sehr entwöhnt, daß er Mühe hat, morgens beizeiten aufzustehen. Doch beizeiten aufstehen ist wichtig, wer morgens nicht beizeiten aufsteht, der taugt nichts. Mao, Che Guevara, Sahra Wagenknecht, sie alle wollten ausschlafen. Und wo lernt man beizeiten aufstehen? Beim Dienen! Und "Demut" kommt von "dienen". Hamse jedient? Ich habe gedient. Und ich diene noch. Und zwar meinem Land, mit meiner antisozialistischen Schaffenskraft. Nicht einem Armendorf bei Bukarest, deren in Deutschland lebende Einwohner genauso viel Geld als Lebensminimum brauchen wie die Deutschen. (Äh, ergibt das jetzt irgendwie Sinn? Ok, egal, ich setzte einfach einen Link zum Thema Europäischer Gerichtshof, das sieht dann schon klug aus.) Und zum Dienen braucht es nun mal Demut. Deshalb ist Demut wichtig. Nur der Demütige erkennt, daß durch Gutmeinen und Mitleid alleine der arbeitsscheue rumänische Hartz-IV-Pöbel nicht zum anständigen früh aufstehenden deutschen Leistungsträger wird. Deshalb schreibe ich meine Kolumne in Demut, und damit möchte ich gerne Vorbild sein für all die Rumänen und Bulgaren im erwerbsfähigen Alter, die sich durch Geldtransfers in die deutsche Unterschicht pazifizieren lassen: lasset die Demut in eure Herzen einziehen! Dann werdet ihr sehen, daß ja nicht unbedingt jede Woche etwas Warmes zu Essen auf den Tisch kommen muß - wenn ihr damit dem deutschen Leistungsträger einen Dienst erweist!

Der Autor...
... diente schon als Kind im Gottesdienst als Messdiener. Dann diente er im Rahmen seines Wehrdienstes bei den Panzergrenadieren in Dinslaken. Nach Dienstschluß schrieb er die epochale, dreihundertunddrei Doppelseiten starke Abrechnung mit dem Dienen durch den mündigen Bürger: Dienst und Demut - Wider den demütigenden Geist des Duckmäusertums. Doch dann (nach seinen drei Minuten Sauerstoffmangel infolge eines Badeunfalls bei Dinkelsbühl glücklicherweise immer noch im Diesseits) vernichtete er sein gediegenes Opus, ohne das es je jemand hätte durchgelesen dürfen, um von nun an ganz dem Konservatismus zu dienen. Als verdienter Diener des Dienstleisters Die Wahrheit über die Wahrheit erwarb er sich einen verdienten Anspruch auf Dienstwagen und Dienstwohnung. Auf seinen zahlreichen Dienstreisen schreibt er diverse wichtige Essays gegen dreiste Hartz-IV-Schmarotzer, dumme Moslemkuschler und das dauerarbeitslose Ökogutmenschenkulturmarxistengesindel. Demütig wartet er drauf, endlich in die Kolumnistenriege von SpOn aufgenommen zu werden.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Übergebt euch!

Der Spiegel Online hat die Demutsfestspiele ausgerufen. Eigentlich hielt DWüdW Demut, dieses erkennen und aus freien Stücken akzeptieren, daß es etwas Unerreichbares, Höheres gibt (Wikipedia), für eine Haltung aus Jahrhunderten, in denen der Mensch noch auf der Scholle blieb, auf die Gott ihn gesetzt hat. Ja, im Grunde hielt sie Demut sogar für widersprüchlichen Unsinn. Denn wenn man freiwillig akzeptiert, daß etwas Unerreichbares nun mal unerreichbar ist, dann kann man ja kaum wirklich von "Freiwilligkeit" sprechen? Doch dann las DWüdW im Spiegel: "Demut ist eine Provokation für das Selbstverständnis des modernen Menschen." Das hat die Demut zwar mit dem Zölibat, Jungfrauen opfern und Hexen verbrennen gemeinsam. Aber da Dumpfbacken nicht mehr für ein rebellisches Gefühl der unangepaßten Reflektiertheit brauchen, als eben eine "Provokation für das moderne Selbstverständnis", hat sich DWüdW begeistert entschlossen, ab heute ebenfalls demütig zu sein! Doch jetzt wie SpOn lauter Erfolgreiche und Millionäre davon palavern lassen, wie sie aus freien Stücken etwas Unerreichbares akzeptieren? Das ist doch für den Durchschnittsleser so prickelnd, als würde man Hugh Hefner fragen, wie er damit klarkommt, nie mit Angela Merkel im Bett gewesen zu sein! Darum muß DWüdW wohl mal wieder einspringen und die journalistische Qualität retten! DWüdW muß diejenigen zu Wort kommen lassen, die wirklich wissen, was Unerreichbarkeit bedeutet! Und so werden in den Wahrheitsdemutsfestspielen ausgewählte Vertreter der Wahrheit über die Wahrheit kurz und ungefiltert von der Bedeutung der Demut in ihrem Leben berichten! Den Anfang macht heute E.S., Anonymität bevorzugende Praktikantin in der DWüdW-Forschungsgruppe "Gesellschaft, Gerechtigkeit und gelebtes Gedöns" (GeGeGeGe):

Demut - die Wiederkehr der Werte
Heute: E.S., DWüdW-Praktikantin

Demut spielt in meinem Leben eine große, eine bedeutende Rolle. Das hat mir zumindest mein "Human Resources Manager" bei DWüdW gesagt. Der legt großen Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung seiner Human Resources. Und für meine richtige Persönlichkeitsentwicklung während des Kopierens, Kaffeeholens und Kuchenkrümel aus den Computertastaturen Saugens darf ich nicht zu früh zu großen Wert auf sowas wie Geld legen. Sondern ich muß meinen Charakter durch Demut stärken. Beziehungsweise, stärken lassen. Schließlich hat der Manager recht, wenn er es unfair findet, wenn ich auch noch Geld dafür bekommen soll, während ich so tolle Sachen bei DWüdW lernen darf. Und wenn ich mich genug anstrenge, dann bekomme ich ja vielleicht auch ein tolles Praktikumszeugnis, sogar auf dem teuren Papier mit 90 g/qm ausgedruckt. Damit kann ich mich dann als "Senior Praktikant" bei DWüdW bewerben. Und dann bekomme ich auch schon richtiges Geld! Senior-Praktikanten bekommen nämlich volle 150 Euro im Monat! Allerdings rutschen die damit in der DWüdW-Betriebskantine auch gleich von der Preisgruppe B nach D. Ich glaube, das machen die extra. Damit man nicht zu übermütig wird, nur weil man plötzlich eine finanzielle Anerkennung für seine durchschnittlich 63 Wochenstunden Arbeit bekommt. Und meine Mama freut sich ja, wenn ich immer wieder zu ihr komme, um mal was Warmes zu Essen zu bekommen. Das ist schon ziemlich weise und erfahren vom Human Resources Manager. Bestimmt mußte der seine Persönlichkeit auch lange in Demut entwickeln, bevor er diese tolle Idee eingeführt hat! Also, ich finde es für alle gut, daß die Demut wiederkehrt!