Freitag, 12. Oktober 2012

Wenn Diamanten zu Kopf steigen

Fangen wir mit einer Übersetzungsübung "Journalismusenglisch für Anfänger" an. In einer Presseerklärung der Yale-Universität findet sich der Satz:
"New research led by Yale University scientists suggests that a rocky planet twice Earth's size orbiting a nearby star is a diamond planet."
Wie würden Sie daraus eine deutsche Schlagzeile machen? Richtig!


Noch eine kleine Übung gefällig? Nehmen wir den Satz:
"It is one of five planets orbiting a sun-like star, 55 Cancri, that is located 40 light years from Earth yet visible to the naked eye in the constellation of Cancer."
Was ist hier mit nacktem Auge sichtbar, Planet oder sonnenähnlicher Stern? Richtig, ganz treffsicher daneben:


Oder um es mal kurz zu machen mit dem "Diamantplaneten": Entdeckt wurde allen Meldungen des Focus Online et al. erst mal gar nichts. Aus diesem Grund verwendet die Presseerklärung auch solch ausgefeilte Formulierungen wie "legt nahe, daß" oder "schätzt, daß es mindestens zu einem Drittel aus Diamanten bestehen könnte", und so weiter und so fort.
Tatsächlich ist die besprochene Studie eine rein theoretische Arbeit. Sie geht von einer Zusammensetzung des Planeten aus, die sich deutlich von der Erde unterscheidet, und untersucht, welche Mengen von Eisen, Silikat, Siliziumkarbid und Kohlenstoff (Graphit oder Diamant) mit dem Wissen um den Durchmesser und der Masse des Planeten in Einklang wären. Und der Kohlenstoff, sprich der Diamant, ist dabei ziemlich unbestimmt. Im Grunde wäre laut den Details der Untersuchung ein Planet aus reinem Diamant ebenso möglich wie ein völlig diamantfreier Planet. Alle weiteren Aussagen zum Diamantgehalt machen dann noch weitere Annahmen, die vielleicht zutreffen, vielleicht aber auch nicht.
Es bleibt eine Studie, die von einer hypothetischen, wenn auch nicht ganz unwahrscheinlichen, Zusammensetzung ausgeht. Und die schlussfolgert, daß der Planet aus jeder Menge Diamant bestehen könnte - oder vielleicht auch gar keinen enthält. Das mag als Untersuchung, wie unterschiedlich Planeten sein können, und auf welche Welten man im All stoßen kann, ausgesprochen interessant sein. Aber entdeckt ist damit noch nichts. Bevor man wirklich Näheres über die innere Struktur und Zusammensetzung des Planeten sagen kann, sind, wie die Studie (und etwas schwächer formuliert auch die Presseerklärung) selbst eingeräumt, weitere Beobachtungen notwendig:
"However, more precise estimates of the stellar elemental abundances and observations of the planetary atmosphere are required to further constrain its interior composition."
Mal sehen, wann endlich auch die Bild groß auf die "Entdeckung" des "Diamantplaneten" anspringt. Vielleicht ja mit einer tollen Frage wie: "Funkeln darum die Sterne wie Brillanten?"

PS:
Besonders gaga ist die Schlagzeile in der Kölnischen Rundschau:



Und daß es nicht um "neue Beobachtungen" geht, hat auch der Spiegel nicht verstanden, obwohl der sogar die Studie verlinkt:



PPS:
Der Bild.de-Artikel ist inzwischen auch da, allerdings etwas enttäuschend. Aber immerhin, Funkeln gibt's dann doch,  den Unterschied zwischen einem Stern und einem Planeten kennen sie dort wirklich nicht und das mit dem sehen mit bloßem Auge machen sie auch falsch:
"Wenn ein Mann einer Frau das nächste Mal verspricht, ihr die Sterne vom Himmel zu holen, dann wird die Wahl der Dame wohl auf diesen fallen..." 
"Im Sternbild Krebs funkelt „55 Cancri e“ sogar fürs bloße Auge sichtbar!"

4 Kommentare:

  1. Aus dem FOCUS-Artikel: »Seine chemische Zusammensetzung ist der Studie zufolge reich an Kohlenstoff, der Basis von Diamanten.« Von gleichem Informationswert wäre etwa ein Satz über die Erde, »Ihre chemische Zusammensetzung ist reich an Wasserstoffhydroxid, der Basis von Bier.«

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  2. Dieser Planet ist also doppelt so groß wie die Erde. Ich vermisse leider die Schlagzeile "Menschliches Leben im All entdeckt! Planet gefunden, auf dem doppelt so viele Menschen wie auf der Erde leben!"

    Die geben uns dann aber garantiert nichts von ihren Diamanten ab.

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  3. Ein Bierplanet! Wenn das mal nicht der wahrhaft größte Schatz im Universum ist!

    Aber Bewohner wird es auf dem Diamantplaneten keine mehr geben. Mit so vielen Diamanten werden die sich doch alle längst in irgendeine Steueroase abgesetzt haben, Bahamas oder Monaco oder so...

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    1. Dieser Diamantplanet soll ein ganz heißer Tip sein. Ich habe wo gelesen, dass es auf der Oberfläche an die 2100°C heiß sein soll. Wenn da tatsächlich noch welche leben, könnten die Gold pissen, und das wäre doch mal eine Schlagzeile wert...

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