Donnerstag, 18. April 2013

Aus einem Hirn vor unserer Zeit

Hin und wieder findet man bei grenz|wissenschaft-aktuell ja wahre Perlen des Absurden! Heute z.B. diese bisher nur als Entwurf veröffentlichte "Studie" der Herrn Alexei Sharov und Richard Gordon: Life before Earth. Die Arbeit der beiden Herren beweist nahezu eindeutig, daß das irdische Leben älter ist als die Erde selbst! Aufregend, nicht wahr? Aber der Reihe nach. Kern der spektakulären Einsicht ist diese Abbildung:


Die beiden Hobbyforscher haben die Komplexität des Lebens, ausgedrückt in der Anzahl der Basenpaare im funktionalen, nicht-redundanten Genom, für verschiedenes, naja, irgendwie ausgewähltes lebendiges Dings, gegen die irgendwie vermutete Entstehungszeit aufgetragen. Daran haben sie halt mal eine Exponentialfunktion angepasst und geguckt, zu welcher Zeit diese bei nur einem Basenpaar ankommt (Vorsicht, die y-Achse ist logarithmisch, daher entspricht 1 Basenpaar (bp) gerade "0" auf der Achse und die Exponentialfunktion sieht wie eine Gerade aus). Das ist nach ihrer Rechnung vor 9,7 ± 2,5 Milliarden Jahren. Und das muß dann wohl die Entstehungszeit des irdischen Lebens sein, das mit einem funktionalen, nicht-redundanten Basenpaar im Genom anfing. Und da die Erde selbst gerade man so gute 4,5 Milliarden Jahre alt ist, muß das irdische Leben schon vor der Geburt des Sonnensystems entstanden und gleich mit eingebaut worden sein!
Diese Studie erlaubt natürlich weitgehende Einsichten, etwa in den außerirdischen Ursprung des Lebens, die Entwicklung intelligenter Wesen im Universum, oder auch in die Anzahl funktionaler nicht-redundanter Hirnzellen in den Köpfen ihrer Autoren. Die Wissenschaftler der Wahrheit über die Wahrheit waren ganz begeistert! Sofort hat sich die DWüdW-Forschungsgruppe "Schriftkultur und Entwicklungen in Semiotik und Strukturalismus" (SchEiSS) daran gemacht, diesen großartigen Forschungsansatz auf andere Gebiete zu übertragen. Also nahmen die SchEiSS-Forscher die Komplexität schriftlich niedergelegter bedeutender Gedankengänge, gemessen in der Anzahl der Worte, und trugen sie gegen die Zeit auf. Durch die Datenpunkte legten sie ein Exponentialgesetz, welches die Daten gut annähert. Und siehe da:


Verfolgen wir das Exponentialgesetz in der Zeit zurück, so finden wir, daß der erste bedeutende schriftliche Gedanke, bestehend aus genau einem einzigen Wort, vor 12 400 Jahren niedergelegt worden sein muß! Und das ist volle 7 900 Jahre vor der Erfindung der Schrift!
Die logische Schlußfolgerung aus dieser Erkenntnis liegt natürlich auf der Hand. Außerirdische müssen prähistorische irdische Kulturen besucht und dabei das erste Wort niedergeschrieben haben. Dieser Gedanke ist nicht neu, Erich von Däniken vertritt ihn schon seit Jahrzehnten. Doch ist es erst DWüdW-SchEiSS gelungen, den Besuch von Außerirdischen in der Vorzeit nicht nur durch das Hineininterpretieren in irgendwelche Höhlenmalereien zu folgern, sondern exakt und in einem strengen mathematischen Verfahren zu belegen! Zweifellos ein epochaler Schritt für die Wissenschaft!
Doch nur die Ruhe - DWüdW ist bescheiden und hält nichts von überzogenem Ruhm und Ehre. Für dieses Blog ist es daher vollkommen ok, sollte es sich den Nobelpreis mit den Herrn Sharov und Gordon teilen müssen...

PS: RP-Online und ShortNews haben die Meldung vom beeindruckenden Alter des Lebens auf der Erde sogar übernommen!
PPS (23.4.): ShortNews rudert wieder zurück...
PPPS (29.4.): Wow, wer hätte das gedacht! Auch der ORF und der Standard sind auf den Quatsch angesprungen.

12 Kommentare:

  1. Eine für mich völlig unerwartete Erkenntnis ist, dass die schriftliche Niederlegung bedeutender Gedanken offenbar in Bushido: Bushido kulminiert. Da hatten die Kulturpessimisten dann wohl doch recht...

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  2. Es wäre übrigens noch interessant, nach derselben Methode mal das Alter der schriftlichen Niederlegung bedeutender Gedanken nach Anzahl der Sätze zu berechnen. Wann ist der erste bedeutende Gedanke, bestehend aus genau einem Satz, schriftlich festgehalten worden? Gegebenenfalls könnte man durch Abgleich mit dem Alter nach Anzahl der Wörter aus obiger Berechnung ermitteln, wieviele Wörter der erste sinnvolle Satz hatte.

    Und im nächsten Kapitel kommt dann das Alter der Musik.

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  3. Ach was Kulturpessimismus! Hand aufs Herz, die Meditationen eines Anselm von Canterbury sind auch nicht gerade eine tolle Bettlektüre!

    Mich würde ja mal interessieren, aus welchem einzelnen Wort der erste schriftlich festgehaltene Gedanke wohl bestand. Aus dem Bauch heraus würde ich ja mal auf sowas wie "Fuck!" tippen...

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  4. Also, das erste Wort war bekanntlich ein anderes, leider kaum schriftlich fixierbares. Es hat also schon schlecht angefangen, und zwischenzeitliche Höhenflüge sind immer schnell wieder abgeschossen worden...

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  5. "Hmm schade, scheint keinen exponentiellen Zusammenhang zu geben."
    "Ach was, guck mal wenn man diese 50 Punkte hier als Ausreißer weglässt dann bilden die restlichen 5 doch irgendwie ne Gerade."

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    1. Die zugrundeliegende Vorgehensweise ist altbekannt und kann auch sehr schön zum "Finden" komplizierterer Muster verwendet werden.

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    2. 5 Punkte sind aber auch eigentlich etwas viel des Guten. Ich nehme sicherheitshalber immer nur 2.

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  6. @gnaddrig:
    Das ist einer der Filme, bei denen ich immer Mitleid mit den Schauspielern bekomme. Oder den Kinder in der Schule wohl stolz erzählen: "Mein Papa ist Schauspieler, der ist auf das Darstellen von Neandertalern und Höhlenmenschen spezialisiert"?

    @Guybrush:
    Dabei sind logarithmische Darstellungen doch schon super geeignet, Punkte zusammenrücken zu lassen! Wenn man dann noch weit rauszoomt und Fehlerbalken weg lässt...!

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    1. Ja, das ist deutlich auf der falschen Seite der Peinlichkeitsgrenze, ich hätte da nur unter Pseudonym und dicker Schminke mitgemacht und niemandem von erzählt. Aber die geschauspielerten Teile der Wernerfilme sind sowieso für die Tonne. Da lohnen sich nur ein paar der Zeichentricksequenzen.

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    2. Wahrscheinlich waren sie jung und brauchten das Geld...

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  7. das obige ist nur eine weitere short-story im endlos-roman "wie beweist man mithilfe von mathematik, dass ihr missbrauch zu epochal neuen erkenntnissen führt?" (eben nach B.Russell) - der mathe-unterricht in den schulen ist halt DESASTRÖS - QED

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