Donnerstag, 25. Dezember 2014

Jahresrückblick (6): Schnelldurchlauf des Jahres

Da war noch so viel, was ich aus 2014 noch loswerden wollte, aber irgendwie komme ich nicht viel zum Schreiben. Und bald steht ja auch schon wieder Neues an, auf das man gründlich vorbereitet sein will (der Hegel-Preis 2014, die Neujahrsansprache der Kanzlerin,…). Also machen wir im 6. Teil des DWüdW-Jahresrückblicks ein bisschen Tempo, sagen, was noch gesagt werden muß - und Schluß!

• 2013 entschieden die Bewohner der Falkland-Inseln in einem Referendum über die politische Zukunft ihrer Inseln. Satte 99.8% der Wahlberechtigten (Wahlbeteiligung 91.9%) stimmten für die Beibehaltung des Status als britisches Überseegebiet und der britische Premierminister David Cameron fand das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung total dufte:
"I think the most important thing about this result is that we believe in self-determination, and the Falkland Islanders have spoken so clearly about their future, and now other countries right across the world, I hope, will respect and revere this very, very clear result." [link]
Klar akzeptieren andere Länder dieses Ergebnis, bis auf z.B. Argentinien (dessen Regierung hält das Referendum auf den Falklandinseln von vornherein für illegal und will es nicht anerkennen).
Beinahe auf den Tag ein Jahr später, am 16. März 2014, wurde auf der Krim ein Referendum über die politische Zukunft der Region abgehalten und eine satte Mehrheit von 96.8% (bei einer Wahlbeteiligung von 83.1%) stimmte für einen Beitritt der Krim zur russischen Föderation. Und David Cameron findet, daß man das mit der Selbstbestimmung andererseits nun auch wieder nicht übertreiben sollte:
"A sham and illegal referendum has taken place at the barrel of a Kalashnikov, and Russia has sought to annex Crimea. This is a flagrant breach of international law, and something we will not recognize."
[link]
Merke: Das Selbstbestimmungsrecht ist ein hohes internationales Rechtsgut, dem höchstens fremdbestimmendes Recht übergeordnet sein kann!

• Im Mai wurde der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einer Veranstaltung auf dem Alexanderplatz seiner Ukraine-Politik wegen mit "Kriegstreiber"-Rufen bedacht. Er reagierte mit einer wütenden Gegenrede, in der er auch leidenschaftlich ausrief:
"Der Sozialdemokratie muß man nicht sagen, warum wir für den Frieden kämpfen! Nicht der deutschen Sozialdemokratie!" [Video]
Was wollte er damit wohl sagen? Zuerst habe ich mich ja schon ein wenig erschreckt, daß die deutsche Sozialdemokratie sich ausgerechnet bei einem Konflikt mit russischer Beteiligung und genau 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf ihre Friedenstradition beruft. Aber keine Sorge, das ist nicht Geschichtsvergessenheit sondern Traditionspflege! So rief Steinmeiers Genosse, der SPD-Vorsitzende Hugo Haase, ganz aktuell (am 4. August 1914) vor dem Deutschen Reichstag aus:
"Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute der Besten des eigenen Volkes befleckt hat (Lebhafte Rufe: Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. (Erneute Zustimmung.)
[…]
Wir hoffen, daß die grausame Schule der Kriegsleiden in neuen Millionen den Abscheu vor dem Kriege wecken und sie für das Ideal des Sozialismus und des Völkerfriedens gewinnen wird. (Lebhaftes Bravo bei den den Sozialdemokraten.) Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)[Reichstagsprotokolle]
Da muß man der deutschen Sozialdemokratie wahrlich nichts mehr vom "Kampf für den Frieden" erzählen! Die wissen, wie man für den Frieden kämpft, und auch warum: Steinmeier will endlich dem Ideal des Sozialismus den Weg ebnen! Und dieses Mal wird unser sozialdemokratisch geführter Kampf gegen den russischen Despotismus wirklich im Völkerfrieden münden, da bin ich mir ganz, ganz sicher!

• Im August verhafteten ukrainische Truppen zehn russische Fallschirmspringer, die sich illegal auf ukrainischem Territorium aufgehalten hatten. Russland erklärte daraufhin, die Soldaten hätten sich an einem unmarkierten Grenzabschnitt versehentlich auf ukrainisches Staatsgebiet verirrt. Viel Spott wurde über diese Theorie verirrter Soldaten ausgeschüttet! Aber es gab nicht nur Spott. Bernd Großheim vom ARD-Studio Moskau etwa empörte sich leidenschaftlich und rief "Was für eine Dreistigkeit!" und "Wer soll das alles glauben?" Tja, wer? Vielleicht all die Deppen, die eine rund zwei Wochen später aufgetischte Geschichte von sechs in Polen verirrten amerikanischen Militärhubschraubern glauben sollen? Sechs US-Hubschrauber verirren sich im dichten Nebel auf ihrem Flug durch Polen, landen auf einem Feld und fragen in einem kleinen polnischen Dorf nach dem Weg, wo die Bewohner außer sich waren vor Glück über die vom Himmel geschickten Amerikaner. Die hatten offenbar auch genug Zeit, um vor dem Weiterflug auf Sonnenschein zu warten, denn die Dorfbewohner konnten noch Erinnerungsfotos bei offensichtlich gutem Wetter schießen. Die Bilder der Dorfbewohner haben es dann irgendwie sogar geschafft haben, einige Stunden später über die Agenturen AFP und AP in die Welt hinaus verbreitet zu werden. Also, wer diesen dämlichen Propagandamist von verirrten Soldaten abkauft, der könnte doch auch glauben, daß sich zehn russische Fallschirmspringer in die Ukraine verirren, oder nicht?

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Jahresrückblick (5): Weltmeister des Jahres

Als wenig sportbegeisterter Mensch wäre es mir ja fast unter den Tisch gefallen. Aber eines der wichtigsten Ereignisse des endenden Jahres muß natürlich auch von DWüdW gebührend gewürdigt werden: Deutschland ist Weltmeister!
Im Sommer 2014 holte sich Deutschland zum vierten Mal den Weltmeistertitel! Und das allein dank der Frauen! Zählt man auch noch die Männer hinzu, dann war es schon der 14. Weltmeistertitel für Deutschland, den die Frauenmannschaft in einem spannenden 3:1-Finale nach hause brachte! Wir sind Faustball-Weltmeister! Ach, wenn es doch auch mal in anderen Sportarten so gut laufen würde für Deutschland wie im Faustball! Zum Beispiel in diesem, na, wie heißt das noch gleich… Fußball, ja, genau.

Montag, 22. Dezember 2014

Jahresrückblick (4): Worte des Jahres

Als Peer Steinbrück Angela Merkel 2013 frage, wie sie denn dafür sorgen wolle, daß aus dem bayrischen PKW-Maut-Mist jemals etwas Funktionierendes würde, hatte sie noch eine einfache Antwort:
"Mit mir wird es keine PKW-Maut geben!"
2014 ist Merkel Kanzlerin und die Bayern pfuschen in Berlin munter am Gesetzesentwurf für eine solche Maut herum. 2013 erklärte Andrea Nahles:
"Die SPD will keine große Koalition. Unsere Absage an die große Koalition wird in der Partei breit getragen. Wer SPD wählt, entscheidet sich gegen Frau Merkel und nicht für sie. Alles andere ist eine bösartige Unterstellung. Die SPD will Merkels Kanzlerschaft in drei Monaten beenden. Wir wollen den ganzen Regierungswechsel."
2014 haben wir die große Koalition unter Merkels Kanzlerschaft und Frau Nahles werkelt als sozialdemokratische Arbeitsministerin an der Einschränkung des Streikrechts. Irgendwie macht sich doch der Eindruck breit, öffentliche Aussagen sind nicht einfach nur falsch, sondern bestehen von vornherein aus nichts als Heuchelei, strategische Lügen und interessenorientierten Wahrheiten. Da stellt sich die Frage, welche Aussagen 2014 denn wirklich ehrlich und aufrichtig gemeint gewesen sein könnten! Nach intensiver innerer Rückschau finden sich bei mir nur zwei öffentliche Aussagen, an deren tiefer, uneingeschränkter Aufrichtigkeit ich keinerlei Zweifel hege.
Die erste stammt von meiner Tochter. Die rief im Bus plötzlich laut:
"Papa! Muß Pipi! Schnell!"
Da habe ich keine Sekunde daran gezweifelt, daß sie es wirklich genau so gemeinte, wie sie es sagte!
Die zweite stammt von Uli Hoeneß. Im Januar, kurz vor seinem Prozess wegen Steuerhinterziehung, sagte er vor der Kamera:
"Jeder weiß, daß ich einen Riesenfehler gemacht habe, aber ich glaube nicht, daß ich deswegen ein schlechter Mensch geworden bin."
Und ja, auch da bin ich mir sicher, er meinte das wirklich ganz genau so, wie er es gesagte! Gerechtigkeit beginnt schließlich bei einem selbst! Und da endet sie meist auch.

Muß Pipi, schnell! und Ich glaube nicht, daß ich wegen meiner Fehler ein schlechter Mensch bin als die einzigen unzweifelhaft ehrlich gemeinten Aussagen 2014, das ist gar nicht mal so wenig! Descartes hatte mit seiner Einsicht, niemand könne die eigene Existenz sinnvoll bezweifeln, weniger Zuverlässiges in der Hand. Und es reichte ihm, um eine Theorie der ganzen Welt darauf aufzubauen. Da werden die beiden ehrlichen Sätze des Jahres 2014 doch ausreichen, um einen wenigstens bis ins neue Jahr zu tragen!

Samstag, 20. Dezember 2014

Jahresrückblick (3): Verschwörungstheorie des Jahres

2014 war fraglos das Jahr für Verschwörungstheorien und Verschwörungstheoretiker schlechthin. Es ist ja noch gar nicht so lange her, da wusste man kaum, was eine Verschwörungstheorie überhaupt ist. Verschwörungstheoretiker waren noch ein kleiner, im Verborgenen agierender Haufen mit echtem Geheimwissen. Verraten haben sie sich allenfalls durch erhöhten Alufolienverbrauch. Und 2014 dann sind Verschwörungstheoretiker plötzlich überall! Friedensbewegung oder Pegida, Forennutzer oder Linkspartei, das ganze Internet eigentlich sowieso - alles durchzogen und unterwandert von Verschwörungstheoretikern! Jede Meinung, die - egal in welche Richtung (und egal ob man sie nun selbst schätzt oder zum Kotzen findet) - von der Standardeinstellung abweicht, wird gleich in Richtung Spinnertum abgeschoben. Und das, obwohl sich auf der anderen Seite noch nie so viele Verschwörungstheorien in so kurzer Zeit als wahr herausgestellt haben als in unseren Tagen: Unsere e-mails und Telefonate werden wirklich alle aufgezeichnet, die USA haben wirklich Menschen in Geheimgefängnissen totgefoltert, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt haben wirklich Naziterroristen gedeckt, die Elite des deutschen Journalismus ist wirklich allesamt in amerikanische Lobbynetzwerke eingebunden. Und wenn morgen raus kommt, daß die Erde tatsächlich von menschenähnlichen außerirdischen Reptilien mittels Chemtrails kontrolliert wird, es würden alle nur mit den Schultern zucken: Haben wir doch eigentlich schon immer gewusst!
Wahrscheinlich steckt hinter dem ebenso inflationär wie unpassend wachsenden Verschwörungstheorievorwurf einfach ein Verlust der Kommunikationsfähigkeit. Menschen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in Deutschland verstehen sich einfach nicht mehr. So können es sich Mediennutzer einfach nicht vorstellen, daß eine Mischung aus Sparzwang und Blödheit (im Verhältnis von ca. 1:8) schon ausreicht, damit Medien wieder und wieder und wieder und wieder falsche und manipulative Bilder zum Thema Ukraine veröffentlichen. Sie sehen da gleich eine große NATO-Verschwörung am Werk. Umgekehrt glauben die Onlineredakteure, daß ihre Leserkommentare unmöglich wirklich von ihren Lesern stammen können, sondern bezahlte russische Auftragsarbeit sein müssen. Sie können sich einfach nicht vorstellen, daß ihre Leser ihnen plötzlich zu Tausenden die Artikel nicht mehr glauben und ihnen zu widersprechen anfangen.
Um in diesem ganzen Wust aus angeblichem Rumverschwören eine wirklich schöne Verschwörungstheorie herauszuziehen, bedarf es schon einiger Anstrengung. Aber mir fiel ein literarischer Höhepunkt des Jahres 2014 ein, der mich endgültig in meiner eigenen Lieblingsverschwörungenstheorie festigte. Es war im Februar. Stefan Niggemeier hatte dargelegt, wie der bekennende Homophobiker Matthias "The Exorcist" Matussek einen Fragebogen aus dem Sexualkundeunterricht für die siebte Klasse nicht verstanden hat. Und er mußte auch noch sein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, daß ein Mann, dessen Leseverständnis nicht für die siebte Klasse reicht, es einmal zum Kulturchef des Spiegel gebracht hatte. Das war für sich schon ein lesenswerter Text. Doch dann entschloss sich Matussek, auf diesen Text zu antworten. Und er schuf einen der denkwürdigen Artikel des Jahres 2014, vielleicht sogar der Zehnerjahre: Notwendige letzte Worte.
Da er gegen Vorwurf, den besagten Fragebogen nicht verstanden zu haben, eigentlich nichts erwidern konnte (Er hatte ihn nun mal ganz offensichtlich nicht verstanden), verwob er Beschimpfungen des Herrn Niggemeier von eher simpel ("Sie Trottel") bis originell ("aufgeschwemmter Mausepaul") mit dem Heldenepos seines Lebens: Er kennt die Welt von London bis Rio, er war unter Terroristen und ist Bestsellerautor, er publizierte über alle von Goethe bis Heine, nahm sämtliche Drogen, ist Unterrichtsstoff an Schulen und hatte alle Formen des Sex ausprobiert. Dochdoch, das hat Herr Matussek wirklich alles so geschrieben. Nur um Herrn Niggemeier gleich darauf der Eitelkeit zu bezichtigen.  Und so geht das im Text weiter. Wer es verpasst hat, sollte Notwendige letzte Worte unbedingt noch nachholen! Wer sie gelesen hatte, sollte sich den Text ruhig nach dem dritten Glühwein noch mal in Ruhe hernehmen und sich noch einmal vergewissern: Doch, es gibt Schlimmeres als Weihnachten mit der Familie! Nicht, daß viel abzutrennen gewesen wäre, doch eine solch entschlossene intellektuelle Selbstentmannung wie die des Herrn Matussek wird man nicht oft finden. Da sieht man, wohin der Drogenkonsum am Ende führt! Finger weg, Kinder!
Aber nun zur Verschwörungstheorie. Macht dieser Matussek'sche Text denn nicht irgendwie misstrauisch? Kann sich ein Mensch selbst wirklich derart zum Vollidioten machen? Und ja, der Text scheint von einem narzisstisch gestörtem Borderlinepatienten verfasst worden zu sein, der sich sein Hirn schon vor Jahren mit Brennspiritus weggesoffen hat. Aber ist dieses Werk auf der anderen Seite nicht auch erstaunlich gut geschrieben? Es ist ein Text, in dem die Begriffe "Goethe", "Lemuren", "verdinglichte Sexualität" und "Gulag" ganz zwanglos ein gemeinsames Heim finden, ein Text, dessen Rhythmus man beim Lesen geradezu körperlich spürt! Die Erklärung kann eigentlich nur eine ganz andere sein: Matthias Matussek existiert als Person gar nicht! Diese Person ist das längste und brillanteste Projekt einer deutschen Satireredaktion, erdacht von Martin Sonneborn. Sie ist der ultimative experimentelle Beweis, daß man in Deutschland ein ganzes erfolgreiches Leben führen kann, Zeitungen vollschreiben und seine Bücher wehrlosen Päpsten persönlich in die Hände drücken, auch wenn man es konsequent vermeidet, jemals auch nur zwei Sätze so aneinander zu reihen, daß sich ein Sinn ergibt. "Sinn" im allerweitesten Wortsinn. Irgendwann wird die Matussek-Verschwörung enthüllt werden müssen. Und es wäre erstaunlich, würde Sonneborn auf dem Weg dorthin nicht austesten, wie weit er gehen kann. Spätestens am Tag, an dem Matussek behauptet, bei Niggemeiers Geburt schon auf dem Mond gestanden zu haben, werdet Ihr Euch meiner Worte erinnern!

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Jahresrückblick (2): Gewinner des Jahres

Der wahre Gewinner des Jahres 2014 kann nur einer sein: Das Philae-Projekt der Europäischen Weltraumagentur ESA! Und das nicht etwa, weil mit Philae der Mensch zum ersten Mal auf einem Kometen gelandet ist. Sicher, das mag eine gewaltige Herausforderung an die Ingenieurwissenschaft gewesen sein. Aber hey, mit genug Ingenieurskunst hätte das eigentlich jeder gekonnt! Philae dagegen hat sehr viel mehr zustande gebracht! Denn was bei der allgemeinen Begeisterung über die Bilder von der Oberfläche des Kometenkerns immer ein bisschen unterging: Von den drei Landesystemen an Bord der Raumsonde haben drei nicht funktioniert! Und mal einfach so ganz ohne Ingenieurskunst auf einem Kometen landen, das muß man erst einmal schaffen! Da sieht man es auch nach, daß es nicht gerade eine Punktlandung geworden ist. Auf jeden Fall war es eine Leistung, zu der es erheblich mehr Glück als Verstand brauchte. Und Verstand war schon nicht wenig im Spiel. Viel Verstand und noch mehr Glück - mehr kann man sich vom Leben doch eigentlich nicht erhoffen! Applaus für den Gewinner des Jahres!

Dienstag, 9. Dezember 2014

Jahresrückblick (1): Versager des Jahres

DWüdW ist ja inzwischen voll im Mainstream angekommen. Das zeigt ich auch daran, daß DWüdW heute eine der widerlichsten Mainstream-Erscheinungen des Dezembers aufgreift - den Jahresrückblick! In loser Folge will DWüdW im Restjahr 2014 die viel zu wenig gewürdigten Leistungen und Fehlleistungen 2014 noch einmal in den Mittelpunkt rücken. Den Anfang macht die Kategorie "Versager des Jahres"!

Erst scheint es schwierig, sich für einen einzelnen Versager bzw. Versagerin des Jahres zu entscheiden. Dann wurde es auf einmal aber ganz leicht - und vielleicht auch ein bisschen überraschend. Versager des Jahres bei DWüdW ist: Gabriele Baumann! (Hier kleinen Applaus einfügen!)
Frau Baumann ist Leiterin des Auslandsbüros Ukraine der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew. Und in dieser Funktion schrieb sie am 26. Februar, zwei Tage nach Janukowitschs Flucht aus der Ukraine, für die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Analyse der Lage im Land. Das Ergebnis, der Länderbericht : "Die Ukraine vor einem Neuanfang" liest sich im Ganzen beängstigend romantisch verklärt, etwa wenn Frau Baumann von "einer neuen Generation junger engagierter Ukrainer, die sich die europäischen Werte als Grundlage für ihr Zusammenleben wünschen" schreibt, oder von den Rechtsradikalen, "die sich mittlerweile als charismatische Kämpfer mit Anspruch auf Leitungsposten im neu zu schaffenden Innenministerium in Stellung bringen." Frau Baumann äußert sich auch zu der Lage im Osten der Ukraine und auf der Krim:
"Beunruhigt und desorientiert über die neuesten Entwicklungen ist die Bevölkerung im Gebiet Lugansk an der russischen Grenze, teilweise in Charkow und Donezk. Anfängliche Tendenzen hin zu einer Abspaltung von der Ukraine und einer Hinwendung zu Russland wurden hier künstlich angefacht, versiegten aber auch schnell wieder."
Und heute, knapp zehn Monate, 4317 Tote, 9921 Verwundete [1] und mehr als einer Million Flüchtlinge [2] später, wissen wir: Gar nichts ist schnell wieder versiegt. Aus Beunruhigung und Desorientierung entwickelte in den Gebieten von Lugansk und Donezk ein ausgewachsener Bürgerkrieg.
Und was die Krim angeht:
"Sewastopol wird aufgrund seiner Standortproblematik aber auch zukünftig Zankapfel zwischen der Ukraine und Russland bleiben, eine Abspaltung erscheint jedoch momentan unwahrscheinlich."
Ganze 13 Tage nachdem diese Zeilen geschrieben wurden, rief das Regionalparlament der Krim gemeinsam mit dem Stadtrat von Sewastopol einen unabhängigen Staat, die Republik Krim, aus [3]. Weitere 6 Tage und ein Referendum später richtete diese Republik Krim ein Beitrittsgesuch an die Russische Föderation.
Diese spektakulären Fehleinschätzungen durch das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung für sich genommen rechtfertigen vielleicht noch nicht den Titel des "Versagers des Jahres". Aber dieses Versagen steht für das gesamte Vorgehen der deutschen Politik: Der deutschen Regierung nahestehende politische Beobachter in Kiew kriegen auf einer Zeitskala von Tagen im Voraus nicht mit, was eigentlich gerade läuft. Und trotzdem weiß die Regierung ganz klar, wer die Schuld trägt, was zu tun ist. Und sie läßt jede Kritik an ihrer Politik durch eine inzwischen ganz beachtlichen Riege von meist ehemaligen Politikern und Journalisten an sich abperlen. Frau Baumanns Versagen steht für die ganze naive Ahnungslosigkeit, mit der die deutsche Ukrainepolitik uns 2014 in eine europäische Katastrophe gelenkt hat, deren Ende noch lange nicht abzusehen ist.